Zeit des Lavendels (German Edition)
des Schicksals, dass ausgerechnet dieser Thomas Leimer nun mit der pompösen Umgestaltung von San Pietro zur größeren Ehre des Papsttums und zur Bekundung der Macht und Stärke der heiligen Mutter Kirche zu tun haben sollte.
Thomas Leimer winkte mit der Hand. Konz Jehle sah nun, warum er aufgeschaut hatte. Eine prächtige, sechsspännige Kutsche mit dem Wappen Carafas rollte heran. Nun kam noch ein dritter Mann mit schnellen Schritten aus dem Palazzo Venezia hinter den beiden ersten hergeeilt. Konz Jehle erkannte zu seiner Überraschung in ihm den Konstanzer Domherrn Jakob Murgel. Carafa nickte Murgel ungeduldig zu. Dann stiegen die drei Männer in die Kutsche, der Diener auf dem Kutschbock knallte mit der Peitsche, und das prächtige Gefährt rollte holpernd davon in Richtung Castel Sant'Angelo, der Engelsburg, dem derzeitigen Sitz von Papst Julius III. Konz Jehle wusste nun, wo er Thomas Leimer wieder finden konnte: im Palazzo Venezia oder in San Pietro.
Konz Jehle war mit seinen Gedanken weit weg, als er an diesem Abend zu Giovanna zurückkehrte. Fieberhaft überlegte er, wie er in die Nähe seines Feindes kommen konnte, ohne dass ihn dieser erkannte. Er wollte erst alles über Thomas Leimer wissen, was es zu wissen gab, ehe er ihn stellte. Diesmal sollte das Überraschungsmoment auf seiner Seite sein. Giovanna würde ihm dabei nicht helfen, das wusste er. Sie wollte ihn in Rom und an ihrer Seite behalten. Ihr war klar, dass er gehen würde, wenn seine Aufgabe in dieser Stadt beendet war. Das hier war nicht sein Zuhause, dieser endlose lärmende Moloch, der nie zur Ruhe zu kommen schien und in dem selbst die Nacht Stimmen hatte. Aber das waren andere als die in den Wäldern um Seggingen oder am Ufer des Hochrheins. Es waren Stimmen der Intrige, des Lugs und Trugs, der Unehre. Konz war ein einfacher, gradliniger Mann. Das Denken um sieben Ecken lag ihm nicht. Aber er würde es lernen müssen, das wusste er. Und dazu brauchte er Hilfe. Einen Helfer, der schweigen konnte. Giovanna jedenfalls würde alles tun, um seine Bemühungen zum Scheitern zu bringen. Er würde eine Lösung finden. Zunächst einmal musste er in die Nähe dieses Thomas Leimer gelangen. Irgendwie.
Der Weg, der sich schließlich für den ersten Teil seiner Aufgabe anbot, war einfach. Thomas Leimer schien eine Art Schreiber auf der riesigen Baustelle von San Pietro zu sein. Einer von vielen, die eingesetzt waren, um wenigstens einigermaßen eine Übersicht über die Unsummen zu behalten, die die Umgestaltung dieser Kirche verschlang — und die über Jahrzehnte unzählige einfache, gutgläubige Menschen mit Ablässen und Kirchenzins aufgebracht hatten. Trotzdem floss ein Großteil der Mittel auch hier wieder in fremde Taschen. Nichts in Rom ging mit rechten Dingen zu. Und diese Baustelle war eigentlich unkontrollierbar. Da ließen sich am Rande gute Geschäfte machen. Konz Jehle war davon überzeugt, dass auch Thomas Leimer sich dies nicht entgehen lassen würde. Er musste nur in Leimers direktes Umfeld vordringen und jemanden finden, den der Theatinermönch übervorteilt hatte. Dann hätte er einen Verbündeten.
Andrea Catani blickte den Hünen vor sich prüfend an. Er machte nicht gerade einen Vertrauen erweckenden Eindruck. Das Gesicht war dreckverschmiert, vom ungepflegten Bart fast völlig überwuchert. Das Haar hing ihm wirr über die Stirn, die Kleidung war löchrig und zerrissen. Er schien auch noch blöde zu sein, denn auf die Frage nach seinem Namen war dem Riesen zunächst nur ein dämliches »Hä?« zu entlocken. Dann klopfte er sich wie ein Affe auf die Brust und tönte: »Io Gonzo, sono molto forte.« Beflissen krempelte er daraufhin die zerlöcherten Ärmel seines Hemdes hoch.
Andrea Catani atmete tief aus. Das war nun wirklich ein Einstellungsgrund. Solche schwellenden Muskelberge hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Nun, um Steine zu schleppen für den Umbau von San Pietro, musste man kein Geistesriese sein. Er brauchte dringend Männer, es ging viel zu langsam voran. Außerdem hatte Blödheit auch ihre Vorteile. Ein Mann wie dieser konnte nicht rechnen, auch nicht lesen. Das hieß, er konnte einen guten Teil der Bezahlung für diesen Esel in die eigene Tasche stecken. Er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen und nickte.
Der Hüne schien erleichtert zu sein. Catani schob ihm ein Pergament hin. Gonzo machte seine drei Kreuze darunter, ohne auch nur auf die Schriftzüge zu schauen.
Catani gratulierte sich selbst. Da
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