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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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auf einen dreibeinigen Schemel ihm gegenüber und ordnete in aller Ruhe ihre Röcke.
    Melchior Hegenzer räusperte sich. Die Dame hatte offenbar nicht vor, es ihm leicht zu machen. »Nun, man kann schon sagen, dies ist ein Jahr der großen Veränderungen«, begann er das Gespräch und verfluchte sich innerlich für diesen ungeschickten Anfang. Diese Frau brachte ihn mit ihrer Haltung aus der Fassung! Das war er nicht gewohnt.
    Magdalena von Hausen lächelte liebenswürdig. »Oh ja, es war für uns alle eine Erleichterung, als wir vom Augsburger Religionsfrieden hörten. Vielleicht kehrt nun Frieden ein zwischen den Protestanten und der Heiligen Römischen Kirche. Auch wenn es sich wohl eher um einen Kompromiss handelt, der vielleicht nicht jedem gefällt.«
    Auf Melchior Hegenzers herbem Gesicht erschien ein kleines Lächeln. Bei Gott, diese Frau hatte Geist. Sie wusste genau, dass er das nicht meinte. Doch wenn sie es so wollte, dann würde er das Spiel mitspielen. Fast bedauerte er schon, dass eine Frau wie sie für die Kirche verloren war.
    »Nun, ich denke, auch die Anhänger der neuen Lehre werden die Gelegenheit begrüßen, etwas Ruhe zu finden. Die Anhänger Zwinglis und Calvins sind inzwischen heillos zerstritten, wie man hört. Meine Schwester hält sie, bei allem Respekt für Eure Haltung, für nichts als Spinner. Gefährlich zwar, aber Spinner, über die der Sand der Zeit hinwegrieseln wird wie über so viele. Die Kirche hat schon so manche Fanatiker überstanden.« So, das war deutlich. Melchior Hegenzer lehnte sich zufrieden zurück. Mal sehen, wie Magdalena von Hausen reagieren würde. Er hatte das Gespräch nicht nur auf das gewünschte Thema gebracht, sondern ihr auch gleichzeitig indirekt gesagt, was er von den Protestanten hielt.
    Doch ihr Gesicht gab keine Regung preis. Sie nickte. »Es ist wahr, in Eurer Schwester hat das Stift endlich wieder eine Herrin gefunden, die fest im Glauben steht. Und die Menschen haben eine Führerin, bei der sie wissen, woran sie sind. Sie haben genug von all den Irrungen und Wirrungen, die diese Zeit mit sich bringt. Nach den schweren Hungerjahren wollen sie einfach nur Sicherheit, in Ruhe ihre Felder bestellen und genügend zu essen, ein Dach über dem Kopf für sich und ihre Familien. Sie wollen Frieden; nach all den Toten endlich Frieden. Sie haben Eurer Schwester freudigen Herzens Gehorsam geschworen. Ich weiß sehr wohl, dass ich den Gotteshausleuten all dies nicht geben konnte.« Magdalena von Hausen lächelte traurig.
    Melchior Hegenzer war einmal mehr beeindruckt. Die Art dieser Frau war mehr als ungewöhnlich. Seine Hochachtung stieg. Er wünschte sich, er hätte sie unter günstigeren Umständen getroffen. Da fiel sein Blick auf die lutherische Übersetzung des neuen Testamentes auf ihrem Schreibtisch.
    Magdalena von Hausens braune Augen hielten dem forschenden Blick ihres Gastes offen stand. In seinen Augen war sogar so etwas wie Verständnis zu lesen. Sie war erstaunt. Sie hatte nicht erwartet, den Bruder der neuen Äbtissin sympathisch zu finden. Der sonst so gewandte Mann schien sogar etwas verlegen zu sein. Seit ihrer letzten Begegnung hatten sich tiefe Linien in seine Stirn und seine Mundwinkel eingegraben. »Er sieht aus wie ein Mann mit ständigen Magenschmerzen«, hatte Katharina noch am Vorabend gesagt. Wahrscheinlich stimmte das sogar. Er sah seiner Schwester sehr ähnlich, als er ihr so im flackernden Licht des Kaminfeuers gegenübersaß und an dem Wein in seinem Becher nippte.
    »Nun«, er zögerte. Dann beschloss er, zum eigentlichen Grund seines Besuches zu kommen. »Nun, da alles zur Zufriedenheit aller Beteiligten geregelt ist, macht es wohl wenig Sinn, Euch länger in Hausarrest zu halten. Ich kann Euch deshalb die frohe Nachricht überbringen, dass der Kaiser meinem Ersuchen zugestimmt hat, Euch eine Zeit der Erholung zu gönnen. Großmeier Hans Jakob von Schönau hat in diesem Sinne beredt bei mir vorgesprochen. Er sagte, Ihr benötigt nach all den Aufregungen einmal Abstand und Ruhe ...?«
    Magdalena von Hausen sagte nichts, musterte ihn nur ruhig. Innerlich nahm sie sich vor, dem Schönauer herzlich zu danken. Er hatte sein Wort gehalten, ihr zu helfen. Doch ganz so leicht wollte sie es ihrem Gegenüber nun auch wieder nicht machen, denn er hatte sicher noch ein anderes Motiv: Nun da die Angelegenheiten des Stiftes geregelt waren, war es für seine Schwester einfacher, die Vorgängerin eine Weile aus dem Weg zu haben. Sie lächelte:

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