Zeit des Lavendels (German Edition)
habt ihm nicht mehr viel zu bieten. Lasst also am besten alle Hoffnung fahren, dass er jemals wieder in Eure liebenden Arme zurückkehrt.« Damit stürmte er wieder aus dem Zimmer. Allerdings nicht, ohne Katharina anzüglich und deutlich auf die Brust und dann auf den Schoß zu starren.
»Dieses Schwein.« Katharina zitterte. Magdalena von Hausen nahm die junge Frau in den Arm. »Lass dich von diesem Mann nicht beeindrucken. Er ist es nicht wert, auch nur einen Moment länger über ihn nachzudenken. So kleinlich kann eben Rache sein. Aber wir haben wichtigere Dinge zu besprechen.« Und dann erzählte Magdalena von Hausen Katharina die Geschichte, die sie von Regine Steirer, der Adlerwirtin aus Vaduz gehört hatte. Sie sprach von der verzweifelten Dorothea Offenburg, einem traurigen Weihnachtsfest in den tief verschneiten Alpen und ihrem Versprechen. Sie hatte ihr bisher all das verschwiegen, um den Kummer der Freundin nicht wieder aufzuwühlen. Sie sah einfach keinen Sinn darin. Doch nun war die Zeit gekommen. Katharina sagte kein Wort. Aber sie hielt sich krampfhaft an Magdalenas Betpult fest. Die Tränen liefen ihr über die Wangen hinunter. »Nun weiß ich endlich, wo ich mit meiner Suche anfangen muss. Wenn Thomas Leimer nach Rom ging, ist ihm mein Mann sicher gefolgt, nach allem, was Euch Dorothea Offenburg und Regine Steirer erzählt haben. Der einsame Mann, der über Weihnachten im Adler von Vaduz aufs Weiterkommen wartete, dass muss Konz gewesen sein.« Katharina schluchzte auf. Dann schaute sie Magdalena von Hausen mitfühlend an. »Das waren schwere Tage für Euch.«
Die frühere Äbtissin schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen?
Katharina nahm ihre Hand. »Gott im Himmel und alle Heiligen, hoffentlich gibt das kein Unglück. Und alles durch meine Schuld.«
»Und durch meine«, fügte Magdalena von Hausen leise hinzu. »Wir müssen so schnell wie möglich fort. Noch scheint unseren Gatten nichts geschehen zu sein. Zumindest Bruder Benediktus geht es nach Murgels Worten wohl gut. Vielleicht finden wir die beiden noch rechtzeitig.«
Doch die Abreise der beiden Frauen verzögerte sich, denn es dauerte noch eine Weile, bis Agatha Hegenzer von Wasserstelz Katharina ziehen ließ. Sie wollte sie auf jeden Fall in Seggingen halten. Den Ausschlag gab schließlich die immer dringlichere Werbung von Mathias Henlein, dem Zimmermann, um Katharinas Hand. Er hatte sogar schon über Hans Jakob von Schönau bei der neuen Äbtissin nachfragen lassen, wie diese zu einer Ehe zwischen ihm und Frau Katharina stehe. Er wolle sich dann hier in Seggingen niederlassen.
Die Hegenzerin stand der Idee sehr wohlwollend gegenüber, sicherte sie ihr doch nicht nur eine fähige Heilerin, sondern auch einen guten Zimmermann. Das brachte Katharina auf die Idee einer Notlüge. Sie bat um eine Audienz bei der Fürstin. Diese gewährte sie gnädig. Katharina erzählte Magdalena von Hausen hinterher lachend, wie einfach es im Grunde gewesen war.
Mit allen Anzeichen einer Jungverliebten war sie vor die Äbtissin getreten. Es habe sich wohl herumgesprochen, dass Henlein um sie werbe. Und sie wolle ihn auch gerne heiraten. Die Kinder brauchten wieder einen Vater. Doch als treue Tochter der Kirche könne sie dies nicht. So lange habe sie nichts von ihrem Gatten Konz Jehle gehört. Sie nehme deshalb an, dass er tot sein müsse. Jetzt wolle sie versuchen, eine Spur von ihm zu finden. Denn heiraten und sich völlig in Seggingen niederlassen könne sie nur, wenn sie genau wisse, dass sie frei sei. Sie bitte die gnädigste Äbtissin also in den Tagen dieser glücklichen Fügung für das Stift um die Erlaubnis, nach Konz Jehle suchen zu dürfen, damit sich auch ihr Schicksal günstig füge.
Das gab nach all dem guten Zureden von Melchior Hegen- zer schließlich den Ausschlag. Die Fürstäbtissin ließ Katharina ziehen.
Melchior Hegenzer sollte die beiden Frauen ein Stück weit begleiten. So brachen sie also im Juni des Jahres 1555 zu ihrer großen Reise auf, hin und her gerissen zwischen Bangen und Hoffnung. Katharinas Kinder, Thomas und seine kleine Schwester Anna, standen Hand in Hand da und sahen der Mutter nach. Sie freuten sich nicht gerade darauf, die nächste Zeit im Stift Seggingen leben zu müssen. Einige Gotteshausleute waren ebenfalls zur Abreise gekommen und winkten der Kutsche der beiden Frauen ihr Lebewohl hinterher, entboten der ehemaligen Äbtissin von Seggingen einen letzten Gruß fast so, als würden sie sie nie wieder sehen.
Weitere Kostenlose Bücher