Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
sollte. Soweit ich es verstand, steigerte es den Genuss der Beteiligten in keiner Weise, wenn ein ganzer Deziliter Samenflüssigkeit zum Einsatz kam. Wer zum Teufel glaubte daran, dass ein Penis durch Gymnastikgeräte zum Wachstum angeregt wurde? Und in St. Petersburg hatte ich genügend Apothekertätigkeit im Kleinformat gesehen, um keine Viagra-Tabletten im Internet zu bestellen. Im günstigsten Fall bestand die Lieferung aus blau gefärbten Kalktabletten.
Marja hatte mir eine Mail geschickt, deren Inhalt zur Gänze in die Re-Zeile passte. Ruf an, stand da, ohne Abmilderung oder Erklärung. Ich selbst hätte hinzugefügt, »wenn du Zeit hast« oder »nichts Dringendes«.
Mein Bekannter bei der Polizei, mein Beinahe-Freund Teppo Korhonen, hatte eine Rundmail verschickt, in der Schwule, Schweden und Tierschützer veräppelt wurden. In meiner Antwort dankte ich ihm dafür, dass er mein Vertrauen in die Toleranz und Vorurteilslosigkeit der finnischen Behörden gestärkt hatte. Außerdem äußerte ich die Vermutung, dass die Typen vom Datenschutz bei der Helsinkier Polizei mit großem Interesse verfolgten, was der Kriminalhauptmeister einem eingewanderten Geschäftsmann mitzuteilen hatte.
Nutze deine Dienstzeit, um zu arbeiten, Gruß, Ein unzufriedener Steuerzahler , schloss ich.
Ich musste lächeln. Korhonen würde meine Frotzelei genießen. Er würde mir den Ball zurückspielen mit der Frage, welche steuerähnlichen Zahlungen ich denn wohl entrichtete. Im letzten Steuerjahr habe er seines Wissens deutlich mehr ans Finanzamt abgeführt als ich. Wenn er richtig in Fahrt kam, würde er seine Verwunderung darüber zum Ausdruckbringen, dass er, ein von der Steuerbehörde als gut verdienend klassifizierter Staatsbeamter, in einer Sozialwohnung lebte und einen alten Renault fuhr, während ich, arm und mittellos, ein prächtiges Eigenheim und einen Mercedes besaß.
Ich trödelte herum, aber schließlich musste ich doch zu Hause anrufen. Ich wollte Annas Stimme hören, bevor die Kleine schlafen ging.
»Der Herr hat es mal wieder so eilig, dass er nicht dazu kommt, bei seiner Familie anzuklingeln«, begann Marja.
»Stimmt«, sagte ich und dachte, was hat dich daran gehindert, selbst anzurufen.
»Wahnsinnsstress in der Firma. Schon wieder zwei Mädchen krank. Ich musste ein Attest verlangen. Es geht doch nicht, dass die Mädchen einfach wegbleiben, wenn sie keine Lust auf Arbeit haben«, klagte Marja. »Könnte jemand in dem Heim in Mankkaa vorbeigucken … da ist eine Duschkabine kaputt. Der alte Rikkilä ist so tatterig, er hat es irgendwie geschafft, die Tür von der Duschkabine abzureißen.«
Ich versprach, gleich am nächsten Morgen in meiner Werkstatt anzurufen und einen meiner Männer vorbeizuschicken. Gab es sonst noch etwas?
»Es geht mir gut, danke der Nachfrage, Bussi-Bussi«, sagte Marja gehetzt.
»Schlafen die Kinder schon?«
»Die sind beim Abendbrot.«
»Gib mir mal Anna.«
»Dann beschmiert sie den Hörer mit Brei.«
»Na, wisch ihr halt das Gesicht ab. Nun gib sie mir schon.«
In der Küche waren Geklapper und gedämpfte Stimmen zu hören. In Gedanken sah ich Anna auf ihrem Hochstuhl sitzen, ein Lätzchen um den Hals. Mitunter hielt der Löffel vor dem geöffneten Mund an, weil die Kleine sich in ihrenGedanken verlor und erst nach einer Weile plötzlich wieder zu sich kam. Das Telefon wurde angehoben, jemand pustete hinein.
»Ist das Erkki?«, neckte ich.
»Nein, ich bin Anna.«
»Ach was, du bist Erkki, das höre ich doch an deiner Stimme.«
»Nein, Anna«, gurrte das Mädchen.
»Anna klein, Schwämmelein, schläft jetzt gleich, warm und weich. Die Nacht ist leis wie Butterreis.«
»Mehr, Papi-i-i, mehr.«
»Kartoffelbrei, Honigei und Allerlei. Alles in den Kessel, dazu ein kleiner Sessel. Rafft die Segel, schaut nach dem Pegel. Die Ruder hoch, wir schlafen doch. Danke für das Essen.«
»Papi ist ganz plem-plem«, sagte Anna. Sie hatte offenbar genug, denn das Handy polterte auf den Tisch.
Gleich darauf war Marja wieder dran und schimpfte: »Musstest du die Kleine so aufdrehen? Was glaubst du, wie schwer es ist, sie zum Einschlafen zu kriegen! Und jetzt will Erkki dich auch noch sprechen.«
Ich wartete, bis ich wieder Atemgeräusche hörte.
»Na, großer Mann, was gibt’s?«
»Nichts weiter.«
»In der Schule alles in Ordnung?«
Der Junge schwieg eine Weile. »Ein bisschen haben die mich wieder geärgert.« Der Seufzer blieb irgendwo über dem Küchentisch
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