Zeit für Plan B
Wohnungstür.
»Showtime«, flüsterte Chuck und ließ sich auf die Couch plumpsen.
Wir hörten, wie Alison die Tür aufmachte und Jacks Stimme ins Wohnzimmer drang. Wir drei auf der Couch sahen uns an. Schuldgefühle und Beklommenheit standen uns ins Gesicht geschrieben, eine offenkundige Manifestation, die die Luft in Alisons Wohnzimmer verdichtete. Jack war unser Freund, und wir hatten uns gegen ihn verschworen und versteckten uns nun vor ihm. Als sich Alisons und Jacks Schritte dem Wohnzimmer näherten, spürte ich sogar ein Zittern in der Magengegend, als hätte ich auf Samt gegen den Strich gerieben.
Und dann war er plötzlich da. Mit seinen Jeans und dem marineblauen Sakko über einem weißen Oxford-Hemd sah Jack von Kopf bis Fuß aus wie ein Filmstar im Freizeitlook. Er war frisch rasiert und frisch geduscht, weit entfernt von dem verschmierten, kotzenden Etwas, das er gewesen war, als wir ihn das letzte Mal sahen. Auf einmal fragte ich mich, ob wir nicht einen Riesenfehlerbegangen hatten. Jack sah uns an. Sein Gesicht war eine ausdruckslose Maske. Er war eindeutig überrascht, doch es gelang ihm, cool zu bleiben und nur leicht verwirrt dreinzublicken. Seine Augen konnte man hinter den grünen, schwach getönten Gläsern seiner schwarz umrandeten Gucci-Sonnenbrille noch gut erkennen, dem neuesten schicken Accessoire des postmodernen Prominenten, das die Botschaft vermittelte: »Ich muss mich nicht hinter dunklen Gläsern verstecken, um unnahbar zu bleiben.«
Mir fiel ein, dass wir gar nicht besprochen hatten, wer eigentlich das Reden übernehmen sollte.
»Hi, Leute«, sagte Jack in einem freundlichen, aber wachsamen Tonfall.
Wir alle stammelten ein Hallo hervor. Es zeugte von Jacks Ausstrahlung, dass er in einer Situation, in der er derjenige war, der überrascht werden sollte, uns alle mindestens ebenso verblüffen konnte.
»Also«, sagte Jack, während er die Sonnenbrille abnahm. »Ich weiß, dass ich heute nicht Geburtstag habe.« Mir fiel auf, dass seine Augen stark blutunterlaufen aussahen, ein komplexes Geflecht wirrer rosa Linien in dem Weißen unterhalb der Iris.
»Jack«, sagte Alison mit leicht schwankender Stimme, »wir alle sind deswegen hier, weil wir mit dir über etwas reden müssen.«
Ohne zu zögern, trat er in die Mitte des Zimmers und ließ sich im Schneidersitz auf dem Teppich nieder. »Aber bitte«, sagte er. »Spannt mich nicht auf die Folter.«
Alison räusperte sich und sah zu uns hinüber. In ihren Augen lag ein Flehen, jemand anders möge doch jetzt bitte das Reden übernehmen. Während wir alle schweigend verharrten, wanderte Jacks Blick zu mir. »Ben?«, sagte er.
Ich sah zu ihm hinüber, dann zu Alison, dann wieder zu ihm zurück. »Es ist nicht leicht, Jack«, sagte ich. »Aber ich denke, das Erste, was jetzt gesagt werden sollte, ist, dass wir uns alle Sorgen um dichmachen und dich als einen unserer engsten Freunde betrachten.« Noch während ich sprach, merkte ich, dass es sich völlig falsch anhörte. Indem ich von »uns« sprach, stellte ich Jack auf eine Seite und den Rest von uns auf die andere. Wir mussten die Dinge so sagen, dass sich eher eine Art Kreis bildete, mit Jack in der Mitte und uns anderen um ihn herum. Aber dass ich wusste, was man tun musste, hieß noch lange nicht, dass ich eine Idee hatte, wie man das am besten machte.
»Willst du etwa mit mir Schluss machen, Ben?«, fragte Jack mit einem sarkastischen Lächeln.
»Wir machen uns Sorgen um dich, Jack«, sagte Lindsey. »Wir dachten, du würdest vielleicht Hilfe benötigen.«
Seine Augenbrauen hoben sich, als ihm der tiefere Sinn dieser Zusammenkunft allmählich dämmerte. »Was?«, sagte er. »Ich stürze einmal an einem Abend ab, und schon glaubt ihr, ich hab mich selbst nicht mehr im Griff?«
»Du weißt, dass es weitaus öfter als nur diese letzte Nacht passiert ist«, sagte Alison.
»Nein«, sagte Jack. »Das weiß ich nicht. Ich werde euch sagen, wo hier das Problem liegt.« Er stand vom Boden auf, das Gesicht auf einmal gerötet vor Zorn. »Das Problem ist, dass meine Freunde all diese Glamour-Magazine aus Hollywood lesen, all diese beschissenen Zeitschriften, die Äpfel und Birnen in einen Topf werfen, und sie lesen, wie all diese Filmstars sich mit Heroin zugrunde richten, zum Beispiel River Phoenix und Robert Downey jr. und Christian Slater. Und natürlich, wenn dann Jack eines Abends stockbesoffen aufkreuzt, dann muss er natürlich in demselben gottverdammten Boot sitzen! Der arme
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