Zeit für Plan B
Jack hält den Druck nicht aus, ein Star zu sein, hat ein kleines Heroinproblem, aber na ja, schließlich war er ja noch nie der Schlaueste. Mein Gott!«
»Kokain«, sagte Chuck zu ihm.
»Was?«
»Es ist Kokain. Deine Aggression und Willensstärke lassen auf eine akute Intoxikation durch eine sympathikomimetikum-ähnliche Droge wie Kokain schließen. Heroin ist ein Opiat. Damit lässt sich viel schwerer normal weiterleben. Du bist viel zu viel auf Achse, um heroinabhängig zu sein. Ganz zu schweigen von dem vereiterten Gewebe in deiner Nase.«
»Danke«, sagte Jack zu Chuck, während er sich mit funkelnden Blicken langsam rückwärts aus dem Wohnzimmer schob. »Das war wirklich informativ, und ich denke, wir haben da alle etwas gelernt. Aber ich muss jetzt zu einer Show, und das hier wird allmählich ausgesprochen langweilig.«
»Jack, geh nicht fort«, sagte Alison. »Bitte bleib hier und rede mit uns. Wir sind deine Freunde.«
»Du kannst mich mal, Alison«, spie er sie an, und sie zuckte sichtlich zusammen, als hätte man sie geschlagen. »Du und deine kleinen Fühl-dich-gut-Therapiesitzungen. Wenn du eine Freundin wärst, dann könntest du auch wie eine Freundin mit mir reden, anstatt mich hier in einen Hinterhalt zu locken.«
»Du weißt, dass es das nicht ist«, sagte Alison leise, mit bebender Unterlippe.
»Hey!«, ergriff Lindsey plötzlich für Alison Partei. »Wie zum Teufel soll sie denn mit dir reden, wenn du entweder stoned oder am Kotzen bist oder von deinem Agenten durch die Hintertür heimlich weggebracht wirst?«
»Wisst ihr, was ich glaube?«, sagte Jack, während er sich umwandte, um das Zimmer zu verlassen. »Ich glaube, für euch alle ist das Leben so langweilig und leer, dass ihr alles tun würdet, um euch selbst ein kleines Drama zu schaffen, damit ihr euch in eurem erbärmlichen kleinen Leben ein klein wenig besser fühlt. Selbst wenn ihr dafür auf meinem herumtrampeln müsst.«
»Du weißt, dass das Blödsinn ist«, sagte ich. Ich wurde wütend, ohne es zu wollen. »Nur weil wir nicht mit einer schicken Kokainsuchtprahlen können, ist unser Leben noch lange nicht erbärmlich.«
»Wirklich, Ben? Warum redest du nicht wieder mit mir, wenn du etwas geringfügig Bedeutenderes verfasst hast als ›Fünf unentbehrliche Abend-Accessoires‹.«
»Halt’s Maul, Jack«, sagte Lindsey.
»Ich werde dir einen noch größeren Gefallen tun«, sagte Jack. »Ich werde von hier verschwinden.«
Er schnellte herum, und ein paar Sekunden später hörten wir die Tür zuschlagen. Alison, die in der Mitte des Zimmers stand, starrte ihm mit offenem Mund fassungslos hinterher. Wir Übrigen saßen auf dem Sofa und fühlten uns beschissen.
»Ich denke, das haben wir prima gedeichselt«, sagte Chuck.
4
E twas später an jenem Abend saß ich, wie es meine Angewohnheit war, vor dem leeren Bildschirm meines Computers und wartete vergeblich auf Inspiration. Sie stellte sich nicht ein, wie es ihre Angewohnheit war, und während ich in Gedanken abschweifte, kam mir mein Gespräch mit Alison und Lindsey am frühen Abend in den Sinn, das Gespräch darüber, dass für unsere Generation die Popkultur das einzige gemeinsame Bezugssystem darstellt. Es war wie dieses Spiel, das wir oft an der Uni gespielt hatten – andere Leute anhand von Filmstars zu beschreiben, denen sie ähnelten. Wenn die Kunst das Leben nachahmte, dann wollten wir sichergehen, dass wir alle vertreten waren. Damals waren wir alle große Kinogänger, was uns fünf vermutlich überhaupt erst zusammengebracht hatte. Ins Kino zu gehen, das steht bei der akademischen Elite nicht mehr allzu hoch im Kurs, vor allem nicht bei Studenten der Universität von New York, die sich moralisch verpflichtet fühlen, sich avantgardistischere Formen der Unterhaltung zu suchen, die es im bunten Kulturbetrieb des New Yorker Greenwich Village in reicher Auswahl gibt. Diejenigen von uns, die die Transvestitenbars, Tattoostudios und künstlerisch anspruchsvollen Filmtheater zugunsten eines schönen, altmodischen Kinos mieden, mussten sich unweigerlich finden.
Wenn Lindsey ein Filmstar wäre, dann wäre sie eine junge Michelle Pfeiffer, mit weicher, mokkafarbener Haut, smaragdgrünen Augen und einer herrlich vollen Oberlippe, die sich zu einem trägen Lächeln verzieht, das irgendwie gleichzeitig verführerisch und offenherzig wirkt. Als ich Lindsey in unserem ersten Studienjahr kennenlernte, war sie so hinreißend begehrenswert, dass ich augenblicklichentschied,
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