Zeitbombe Internet
nie gegeben und wird es nie geben, nur das ständige Streben nach politischen Rahmenbedingungen, die die Schäden am Ãkosystem Erde begrenzen.
Ãhnlich ambitioniert und zugleich realistisch muss auch die Digitalpolitik sein. Defätistische ÃuÃerungen, das Netz sei global, die Probleme also national nicht zu lösen, hört man zwar schon seit Jahrzehnten â aber das ist im Fall des Internet ebenso falsch wie in der Umweltpolitik.
Möglichkeiten für Berliner Politiker, das Netz zu gestalten, gibt es erstaunlich viele. Am Willen, das auch zu tun, mangelt es erschreckend häufig.
Die Cyberkriminalität muss zurückgedrängt werden â international. Die Bundesrepublik kann und muss politischen Druck auf Länder ausüben, die Cybergangstern Unterschlupf gewähren. Sonst blüht und gedeiht die Kinderpornografie im Netz, sonst werden weiterhin die Internetbenutzer mit Spam überschwemmt, sonst kann man kein Geschäft ohne Angst vor dem Totalverlust betreiben â und die zu erwartenden Gegenreaktionen zerstören das Netz, das wir kennen.
Ein passendes Internationales Strafrecht steckt erst in den Anfängen, aber die Debatte lieÃe sich sicherlich beschleunigen â wenn die Bundesregierung das Thema laut und beharrlich auf die Tagesordnungen brächte. Was spricht zum Beispiel gegen eine internationale Schwarze Liste? Wahlweise könnte der Druck über Entwicklungspolitik, Handelspolitik oder AuÃenpolitik ausgeübt werden.
Wer im Internet unterwegs ist, auch grenzüberschreitend, sollte sich auf den Schutz seiner Regierung besser verlassen können. Es liegt durchaus in der Macht jeder Regierung, die Rechte der Bürger im grenzüberschreitenden Datenverkehr zu stärken. Im Kleinen könnte das bedeuten: Unternehmen, die eine erhebliche GröÃenordnung erreichen â Umsatz oder Nutzerzahlen â, müssten Datenschützern oder der Regulierungsbehörde
für Post und Telekommunikation neue Dienste vorlegen und diese prüfen lassen. Das wäre normal. Autos, Medikamente, Bankdienstleistungen, Versicherungen kommen auch nicht einfach so auf den europäischen Markt.
Wider die Datenfettsucht
Eins ist klar: Wenn Daten erst einmal im Internet gelandet sind, dann bleiben sie dort â und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit fallen sie eines Tages in böse Hände. Absoluten technischen Schutz dagegen? Kann man vergessen.
Deshalb ist eines den Unternehmen und Behörden und Organisationen, die sich im Netz tummeln, schnellstens abzugewöhnen: ohne Sinn und Verstand so viele Daten zu sammeln, die peinlich werden, Schaden anrichten oder gefährlich missbraucht werden können. Das groÃe Sammeln ist nicht überall nötig. Und die jetzige Praxis ist der schlichte Wahnsinn: Auf der einen Seite so viele persönliche Informationen wie möglich abgreifen â und auf der anderen Seite jeden Internetbesucher an möglichst vielen Stellen anhand dieser Daten persönlich identifizieren.
Sowohl die US-Regierung als auch die EU-Kommission bemühen sich seit Ende 2010 darum, dem einzelnen Netznutzer mehr Hoheit über seine Daten zurückzugeben. Man könnte es auch anders nennen: Sie versuchen, Unternehmen die Datenfettsucht abzugewöhnen.
Eine technische Antwort wäre es, eine Zentralstelle für Lizenzen im Umgang mit persönlichen Daten zu schaffen. Der Einzelne könnte dort Umfang und Reichweite der Lizenzen festlegen, zum Beispiel auch den Zeitraum, nach dem bestimmte Daten oder Fotos gelöscht werden müssen. Internethändler und andere Datensammler würden dazu verpflichtet, sich bei der Zentralstelle zu informieren und die Daten gemäà der Lizenzen zu behandeln. Aber auch andere Lösch-Tasten oder Mechanismen wären denkbar, um dem Netz das Vergessen
beizubringen. Man muss vermutlich testen, was für den Alltag den gröÃten Effekt hat.
Zum Recht auf »informationelle Selbstbestimmung« gehört auch, dass Kunden umgehend darüber informiert werden, wenn ihre Daten durch einen Unfall oder ein Verbrechen zerstört oder verändert werden, wenn sie in die Hände von Unbefugten geraten oder an die Ãffentlichkeit. Die EU will das gesetzlich verankern. Um die Autonomie der Nutzer weiter zu stärken, bemühen sich Gesetzgeber in den USA darum, dass Kunden ihre Daten, Fotos und Adress- oder Kontaktlisten leichter von einem Anbieter zum nächsten
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