Zeitbombe Internet
der Staaten, die das Internet filtern, zensieren und ausspähen: Im Jahr
2009 setzte das »Komitee zum Schutz von Journalisten« das Land auf Platz vier jener Staaten, in denen es besonders gefährlich ist, ein Blogger zu sein. Laut Deibert drohen politisch Andersdenkenden, die im Netz ihre Spuren hinterlassen haben, Arrest und andere Drangsalierungen. Eine weitere Nicht-Regierungs-Organisation, »Reporter ohne Grenzen«, zählte Syrien vor einigen Jahren zu »den Feinden des Internet« und aktuell zu den »zehn repressivsten Staaten«.
Die Behörden selbst sagen ganz offen, dass sie Internetseiten sperren, deren Inhalt sie für »pro-israelisch und hyperislamistisch« halten. Es spricht sich auch besser niemand für die Unabhängigkeit der Kurden in Syrien aus.
Die Kontrolle des Internet gelingt Syrien, weil die staatliche Telekom-Gesellschaft das Kommunikationsnetz betreibt und kontrolliert. Deibert zufolge setzt die Regierung in diesem Netz die Software eines kanadischen Unternehmens namens Platinum ein, die es möglich macht, tief in Datenpakete hineinzuschauen, die ein Internetnutzer verschickt ( deep packet inspection heiÃt das unter Informatikern, was auch in der Ãbersetzung ziemlich unheimlich klingt: »eingehende Inspektion« durch die Behörden). Damit nicht genug. Unabhängige Quellen geben an, dass in Syrien viele Internetangebote gesperrt sind. Internettelefonie ist in der Regel nicht möglich.
Weitere Beispiele wie das syrische lieÃen sich ausführen: über China, Iran, Kasachstan, Kirgisien, Armenien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi Arabien, Burma, Vietnam, Ãgypten und Jemen. Sie alle werfen virtuelle Grenzwälle auf und suchen innerhalb der alten, nationalen Grenzen nach Datenspuren von Bürgern, die sich regimekritisch äuÃern, die einen mehr, die anderen weniger streng. Aber sie tun es mit Methoden, die hierzulande ein halbes Dutzend Grundrechte verletzen würden.
Helden gesucht â Die Zukunft der Digitalpolitik
Das Netz zerfällt also längst in regionale, manchmal in nationale Enklaven, weil Regierungen versuchen â und aus ihrer Sicht auch versuchen müssen â, ihre Rechtsordnung auf einen Teil des Internet zu übertragen. »Ich denke, dass groÃe Länder die Chance haben, das Internet in ihrem Herrschaftsbereich nach ihren Vorstellungen und auf Dauer zu formen«, sagt der langjährige Google-Chef Eric Schmidt. Europa zählt er dazu. »Der gesellschaftliche und ökonomische Wandel kam in den vergangenen Jahren aus dem Netz«, sagt Schmidt. Dinge veränderten sich in seinen Augen quasi automatisch und zwangsläufig, weil sich die Technologie entwickelte und ausbreitete. »Aber jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es an uns Menschen liegt, wie sich die Entwicklung fortsetzt. «
Ob das Internet zu einer »Zeitbombe« wird â oder nicht.
9. Entschärft die Zeitbombe! â Wie das Internet nach dem Internet aussehen muss
Dem Internet entkommt niemand mehr. Kein Mensch kann es abschalten und dann erwarten, dass sein Leben einfach weiter geht. Kabelstränge, Systeme und Datenschaltkästen überziehen den Planeten, sie vernetzen Verkehrsleitsysteme, Handys, Stromzähler, Kriegsflugzeuge; sie verbinden Menschen im Büro, Soldaten im Kampfeinsatz und Teenager beim Flirt. Wir haben uns daran gewöhnt, überall auf Rechenhirne zu treffen. Wir verlassen uns darauf, dass sie immer da sind, immer antworten und wahlweise den freundlichen Helfer, die Inspirationsquelle, das Nachschlagewerk, den Nachrichtensprecher, den Botschafter oder das kollektive Gedächtnis geben. Wir bauen darauf, dass sie unseren Wohlstand mehren.
Doch das Internet steuert gerade auf die gröÃte Krise seiner Geschichte zu. Schon technisch stöÃt es an seine Grenzen, es ächzt unter der Last von Abermilliarden zusätzlicher angeschlossener Geräte. Kriminelle, Spione und staatliche Aufseher aus diktatorischen Regimes gewinnen Kämpfe um die Freiräume im Cyberspace. Konzerne, die die Infrastruktur des Internet am Laufen halten, spielen nicht mehr ohne Weiteres mit: Sie sind nicht zufrieden mit ihren Profitmöglichkeiten. Manche wollen nicht mehr einfach so die Infrastruktur eines Netzes pflegen, das für Kunden und Nichtkunden gleichermaÃen offen ist, sie wollen Mautgebühren für unterschiedliche Strecken der Datenautobahn. Wieder
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