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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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veröffentlichte, ließ PharmaMaster auch deren Webseiten untergehen. Die Blue-Security-Kundschaft erhielt derweil Drohbriefe aus Russland. Sie würden »zwanzig- bis vierzigmal soviel Spam bekommen« wie normal. Die Spammer hatten einen Weg gefunden, die Hunderttausend E-Mail-Adressen der Blue-Security-Kunden zu entschlüsseln, die angeblich »bombensicher« abgelegt waren. Eine offensichtliche Racheaktion.
    Am Ende wurde der Angriff so massiv, dass der Chef des großen Server-Betreibers Tucows mitten in der Nacht in Israel anrief und berichtete, dass »dieser russische Spammer« inzwischen »das halbe Netz in Kanada außer Betrieb gesetzt« habe. Tucows setzte seinen Kunden Blue Security auf die Straße. Einige der größten Internetfirmen der Welt winkten ebenfalls dankend ab. Spezialisierte Sicherheitsfirmen nahmen den Kampf auf, doch auch sie mussten sich angesichts der Übermacht der Zombies geschlagen geben – obwohl ihre Sprecher heute nach wie vor behaupten, mit etwas längerem Atem hätten sie die Sache in den Griff bekommen. Zwei Wochen lang ging das Spiel noch. »Tut mir leid, dass neuntausend Computer-Server wegen Ihrer Firma außer Betrieb sind«, kam eine neue Textnachricht aus Russland. »Und weiter viel Glück.«
    Â»Die Situation drohte einen Bürgerkrieg im Cyberspace auszulösen«, sagte Peter Swire, ein Jurist und Internetexperte an der Ohio State University und Berater von Blue Security. Bis Blue Security aufgab. Das Unternehmen teilte mit, dass
es seinen Krieg gegen Spam einstellen werde – und dabei ist es geblieben. »Es ist das einzig Verantwortliche, das wir tun können«, sagte der zerknirschte Firmengründer Eran Reshef. In seinem Umfeld wurde spekuliert, dass Reshef Todesdrohungen gegen sich selber und seine Familie erhalten habe. Reshef bestätigt nichts dergleichen. Am Ende ließ er bloß eine von seinen Beratern abgestimmte Erklärung zurück: »Dieser Gegner hatte zu viel Geld im Rücken und keine moralischen oder rechtlichen Grenzen. Hätten wir weitergekämpft, hätte er womöglich jeden einzelnen unserer Kunden attackiert und das Internet zum Zusammenbruch gebracht.«
    Eran Reshef hatte ein wirksames Mittel gegen Spam gefunden. Doch er hatte unterschätzt, wie sehr sich die Kräfteverhältnisse in der neuen Welt der organisierten Cyberkriminalität verändert hatten.
    Etliche Antispam-Aktivisten – bis hin zu den Chefs einiger großer Antivirenfirmen – halten ihren Aufenthaltsort seither geheim. Viele in der Branche halten den französischen Fahnder David Bizeul hinter vorgehaltener Hand für einen selbstmörderischen Draufgänger: Bizeul hat über große Zeiträume das Russian Business Network (RBN), jahrelang eine der größten Spam- und Cybercrime-Organisationen der Welt, ausgeforscht, zahlreiche Namen und Adressen aus ihrem Umfeld veröffentlicht und seine Verbindungen in die digitale Unterwelt dokumentiert. Joseph Menn, ein Internetkorrespondent für die Financial Times, greift in seinem Buch Fatal System Error auf zahlreiche Quellen amerikanischer und britischer Strafverfolger zurück und deutet an, dass das RBN offenbar nicht nur beste Kontakte zur Mafia unterhält, sondern auch in die Polizeiorganisation und in die hohe Politik. Und Menn erzählt die traurige Geschichte eines westlichen Aufklärers, der zusammen mit der russischen Polizei in St. Petersburg auf der Spur einer großen Cybercrime-Organisation war – bis »die Tochter des Mannes für immer aus dem gemeinsamen Haus in einem westlichen Land verschwand. Ihm wurde mitgeteilt, dass er die Sache vergessen solle, dann würden seine anderen Kinder in Ruhe gelassen«.

    Es gibt noch mehr solcher Geschichten. Die meisten werden hinter vorgehaltener Hand erzählt, verbunden mit der Bitte, nicht über sie zu berichten oder zumindest die damit verbundenen Personen nicht zu identifizieren. »Die monetären Profite aus Cyberverbrechen sind immens«, urteilte die Computer-Sicherheitsfirma Sophos kürzlich in ihrem regelmäßig erhobenen »Security Threat Report«. Allein in Russland, schätzte die russische Sicherheitsfirma LETA im September 2010, sei der Umsatz der Cyberverbrecher auf eine Milliarde Dollar pro Jahr gewachsen. Es gebe etwa 20.000 Kriminelle in diesem Segment, aber höchstens fünf bis sieben Verhaftungen im Jahr. Hohe

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