Zeitbombe Internet
Jedes Gerät im Haushalt hinterlässt beim Einschalten und im Betrieb seine unverwechselbaren Spuren, die der Stromzähler registriert und weiterfunkt. Das Leben der Fenns â ein sekundengenau erfasstes Stromnutzungsprofil.
Der 43-jährige Ingenieur Fenn ist bei solchen Sachen gerne ganz vorne mit dran. Er arbeitet schlieÃlich bei einem mittelgroÃen Energieversorger namens HEAG Südhessische Energie in Darmstadt, und in einigen Jahren â so ist das geplant â soll eine Mehrheit der Stromzähler in Deutschland so modern sein wie die im Fennâschen Keller. Eines Tages sollen
alle Stromzähler der Republik in der Lage sein, das zuständige E-Werk auf dem Laufenden darüber zu halten, wie viel Strom gerade verbraucht wird. Umgekehrt sollen auch die E-Werke Informationen an den Stromzähler zurückfunken können. Zum Beispiel, dass der Strom gerade reichlich flieÃt oder dass er gerade knapp ist, und wie es voraussichtlich in den nächsten Minuten und Stunden damit aussieht. Vielleicht hat der Wetterbericht ja einen Sturm über Darmstadt angekündigt? Vielleicht fegt er über die Felder, wo die ganzen Windräder stehen? Dann ist damit zu rechnen, dass es viel Strom gibt.
Es geht hier um die Zukunft des Planeten. Um eine ökologischere Energieversorgung für Deutschland. Und um ein gigantisches Geschäft. Aber wenn das alles funktionieren soll, muss man Minute für Minute das Angebot an Strom mit der Nachfrage zusammenbringen. Kraftwerke, die Stromnetze, Stromzähler und vielleicht sogar die einzelnen Haushaltsgeräte müssen über ein riesiges Computernetz verbunden werden, ein sogenanntes Smart Grid, zusammengehalten von Funkverbindungen und Drähten und dem Internet, sagen die Ingenieure.
GroÃe Energienetzbetreiber und winzige Ingenieurbüros, Innovatoren aus dem Silicon Valley und althergebrachte Telekommunikationskonzerne, Softwarekonzerne und Unternehmensberater wetteifern neuerdings um ein Stück an diesem Kuchen. In den USA hat der Chef des Kommunikationskonzerns Cisco, John Chambers, kürzlich vorhergesagt, dass das Smart Grid zehn- bis hundertmal so groà werde wie das Internet. Und Cisco ist zu einem Riesenkonzern geworden, weil er einen GroÃteil der Netzwerkcomputer und des sonstigen Zubehörs liefert, die das Internet am Laufen halten.
In Deutschland sieht man das nicht anders. Der Kraftwerkskonzern ABB kooperiert seit April 2010 mit der Deutschen Telekom, um ein Smart Grid zu bauen â was man bei der Telekom für »einen Milliardenmarkt« hält. Das kommt dem Konzern gut zupass, weil das Kerngeschäft Telefonieren gerade schrumpft. Eine Reihe groÃer Energieversorger hat Pilotversuche gestartet. Bald sollen »minutengenaue« Tarife
angeboten werden, nach dem Motto: Billigen Strom gibt es dann, wenn gerade viel Strom erzeugt wird. Der smarte Zähler im Schaltkasten wird es den smarten Geräten schnell weitersagen.
»Ich nenne das immer: Waschen und Spülen mit der Sonne«, sagt der Ingenieur und Stromzähl-Pionier Fenn. »Die Spülmaschine der Zukunft hat zwei Knöpfe. Jetzt sofort spülen, weil um 14 Uhr die Verwandtschaft kommt und man das Geschirr braucht. Und der zweite Knopf bedeutet: Mir ist das egal! Spüle später, wenn gerade viel Wind kommt!«
Wann im Haushalt der Fenns gespült wird â das entscheidet dann in Zukunft ein Computer.
Strom umsonst? Praktische Ratschläge von der Hackerkonferenz in Vegas
Mike Davis ist kein groÃer Vortragsredner. Seine Vorliebe für Karohemden, seine ernsthafte Art und sein menschenscheuer Blick hinter der groÃen eckigen Brille signalisieren jedem Publikum: Da kommt ein Technikfreak. Tatsächlich kann Davis minutenlang über »Buffer- und Ganzziffer-Ãberläufe« vor sich hin nuscheln und über »Entropiequellen«. Irgendwann verliert er den Faden und streut unvermittelt ein: »Sie wissen schon.«
Das macht aber nichts. Am 30. Juli 2009 hat Mike Davis bei der Hackerkonferenz in Las Vegas eine Rede gehalten, von der man in der internationalen Energiebranche noch heute spricht.
Davis hat damals in Las Vegas vorgeführt, wie man als Hacker in das Smart Grid eindringen kann. Ganz systematisch ist er dabei vorgegangen. Er hat sich ein paar dieser neuartigen schlauen Zähler besorgt, ein paar Smart Meter, ohne die das Stromnetz der Zukunft nicht funktioniert. Er hat sie aufgeschraubt. Die
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