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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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Organisationen wissen genau, dass sie den Kampf um die Computerhoheit nicht gewinnen können, wenn sie sich der anarchisch-wilden Szene der Hacker verschließen. Im Gegenteil. Ein aufmerksamer Zuhörer kann sich frühzeitig über wichtige Lücken und Sicherheitsprobleme informieren. Mit etwas Glück und den richtigen Sprüchen kann man sogar gute Kräfte rekrutieren, denn ab und zu wechseln Hacker die Seiten. Der Gründer von Defcon und Black Hat, ein gewisser Jeff Moss aus Seattle, trägt in Hackerkreisen weiterhin seinen geheimnisvollen Titel »Black Tangent«. Aber er hat seit Juni 2009 einen neuen Job. Er sitzt im Beratungsgremium des Homeland Security Council, das die Obama-Administration auf die neuesten Gefahren in der Cyberwelt hinweist.
    Das Knacken von Stromablesegeräten gilt bei Hackertreffen neuerdings als eine Art Spitzensport. Im Juli 2010 trug ein Vortrag den selbst erklärenden Titel: »Gratis-Strom?« Er enthielt gleich zahlreiche Diagramme, Formeln und praktische Hinweise. Der Hacker Joshua Wright (»Ich hacke für Sushi«) hat ein Computerprogramm namens KillerBee veröffentlicht, mit dem man angeblich in etliche der neuen Smart-Meter-Installationen hineinlauschen oder Daten manipulieren kann.
    Dann könnte ein gewiefter Technikfreak zum Beispiel seine Stromabrechnung fälschen oder sie jemand anderem aufbrummen. Er könnte Nachbarn ausspionieren. Vielleicht interessieren sich ja Einbrecher dafür, dass eine Familie den Warmwasserboiler dauerhaft abschaltet, weil sie im Urlaub ist. Vielleicht werden Gebühreneintreiber der GEZ neugierig, wenn jemand stets zur besten Sendezeit Fernseher-typische Wattzahlen abruft. Der Sicherheitsexperte Joshua Pennell, der früher selber einmal ein Hacker war und dreimal hintereinander einen begehrten Wettbewerb bei Defcon gewann, ist davon überzeugt: Eines Tages könnten Hacker sogar aus der Ferne den Strom abschalten. Egal wo sie sitzen. Ob im Nachbarhaus, in Las Vegas – oder zum Beispiel im fernen Nordkorea.

    Natürlich muss man mit solchen Prognosen ein wenig vorsichtig umgehen. Alles darf man den Leuten nicht glauben. Leute wie Davis, Wright und Pennell haben auch ökonomische Interessen daran, die Gefahr möglichst groß und bedrohlich erscheinen zu lassen: Sie sind allesamt mit Sicherheitsfirmen affiliiert, die für Geld die Stromkonzerne beraten. Doch andererseits hat sich noch kein Kritiker gemeldet, der die technischen Analysen der Hacker ernsthaft widerlegen könnte. Ihre Ergebnisse und Methoden sind offen zugänglich. Weder von den Herstellerfirmen der Smart Meter noch von den Elektrizitätswerken kam bisher ernsthafter Widerspruch.
    Im Gegenteil. Das Handelsblatt fragte im Juni 2010 bei Sicherheitsbeauftragten großer Konzerne nach, und die machten sich allesamt Sorgen. »Die Verquickungen machen Abläufe effizienter, erhöhen aber auch die Sicherheitsrisiken«, gab Gunnar Björkmann zu Protokoll, Netzexperte des Kraftwerk-und Elektrotechnikkonzerns ABB. »Die Zahl möglicher Einfallstore für Hacker explodiert«, sagt Rolf Adam, Smart-Grid-Experte beim Netzausrüster Cisco, »und sie rücken näher an den Endkunden.« Andreas Bentz, ein Experte bei T-Systems, berichtete der Zeitung damals von seiner Angst, dass »eines Nachts Hacker an der Hochhausfassade Vier gewinnt« spielen könnten – indem sie Lichter in den einzelnen Zimmern ein-und ausschalten.
    Wobei das noch ein besonders nettes, harmloses Szenario ist. »Die Bedrohung geht im Extremfall bis hin zu Doktor-No-Szenarien«, sagt Sandro Gaycken, ein Technikexperte an der Universität Stuttgart, der sich viel mit den Anfälligkeiten moderner Computersysteme beschäftigt. »Man könnte großflächig den Strom abschalten. Oder man könnte den Strom in vielen Haushalten in schneller Folge an- und ausschalten.« So etwas könnte Systeme in den Kollaps treiben. Kabel, Schaltkästen, Trafos, Maschinen könnten durchbrennen. Vielleicht werden Staaten eines Tages so erpressbar.
    Dann bricht also der Cyberkrieg im Heizungskeller aus.
    Aber sind diese Mahnungen nicht alle ein wenig übertrieben?
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