Zeitbombe Internet
Ãffentlichkeit zur Verfügung gestellt. In einem abgelegenen Labor im US-Bundesstaat Idaho, unter Aufsicht der Staatssicherheitsbehörde der USA, ruckelt ein gewaltiger Dieselgenerator hin und her. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Nach einiger Zeit fliegen die ersten Teile heraus. An der einen Seite tritt weiÃer Dampf aus, auf der anderen entweicht schwarzer Qualm. Die Videoaufzeichnungen zeigen auch eine Luftaufnahme des Labors in Idaho, gegen Ende der Operation. Es sieht schlimm aus. Offenbar entweicht da gerade eine riesige Brandwolke.
Das Experiment von Idaho hat damals die Branche der Energiebetreiber ganz schön aufgerüttelt. Energiebetreiber haben es nicht so gerne, wenn Dieselgeneratoren etwas passiert : Solche Dieselgeneratoren stehen an vielen wichtigen Punkten im Stromnetz als Reserve für den Notfall. Zum Beispiel in Steuerzentralen, die niemals versagen sollen. Und in Krankenhäusern, wo ein Stromausfall katastrophale Folgen haben kann.
Der Angriff auf den Dieselgenerator in Idaho geschah per Computer. Hacker im Dienst der Regierung waren in die elektronischen Kontrollsysteme der Anlage eingedrungen â sogenannte SCADA-Systeme. Das sind Programme und Rechner, die quasi jedes Kraftwerk, jede Elektroinstallation, jede U-Bahn, jedes Klärwerk zu steuern helfen. Die Operation Aurora zeigte, dass sich ein Dieselgenerator mit entsprechenden Steuerbefehlen des Computers aus dem Takt bringen lässt. Bis er am Ende explodiert. Eine Cyberattacke war gelungen, und sie betraf nicht nur Rechengeräte, nicht nur Bits und Bytes, Magnetplatten und Monitore. Dieser Computerangriff war in der richtigen Welt, im richtigen Leben angekommen und hatte etwas sehr Gefährliches angerichtet.
Das Experiment hatte seine Vorläufer in der Militärgeschichte.
Im Juni 1982 zum Beispiel soll in Sibirien eine sowjetische Gaspipeline explodiert sein. Das Computerkontrollsystem, das die Sowjets damals einsetzten, versagte. Die Crux war, dass sowjetische Spione die eingesetzte SCADA-Software zuvor von einer Firma in Kanada gestohlen hatten, und die Spione wussten nicht, dass die CIA diese Software zuvor manipuliert hatte. Das Resultat schauten sich die Amerikaner damals von ihren Spionagesatelliten aus an. »Es war die monumentalste nicht-nukleare Explosion und der gröÃte Brand, den man jemals vom Weltall aus hat sehen können« â so schwärmt davon heute Thomas C. Reed, ein früherer Air Force Secretary der USA, der vor einigen Jahren seine Memoiren geschrieben hat. Insideransichten des Kalten Krieges heiÃt das Buch.
Es gibt hier natürlich ein Problem mit der Beweislage. Das ist immer so, sobald Geheimdienste ihre Finger im Spiel haben. Viel bleibt im Verborgenen. Dies führt dazu, dass solche Geschichten von ferngesteuerten Explosionen im sibirischen Winter, von fremden und unheimlichen Eindringlingen in lebenswichtige Computersysteme schnell wie Räuberpistolen aus dem Kalten Krieg klingen. Wie Stunts aus einem James-Bond-Film. Oder Die Hard 4.0 mit Bruce Willis in der Hauptrolle (2007), wo ein Meisterhacker mit schwerem deutschen Akzent in den USA erst Computer, dann Nahverkehrseinrichungen und schlieÃlich Fabriken in die Luft fliegen lässt. Die meisten solcher Geschichten sind zumindest technisch einigermaÃen plausibel â und manche sind zumindest von Geheimdienstbeamten oder anderen offiziellen Stellen bestätigt.
2000: Ein verärgerter ehemaliger Mitarbeiter eines Klärwerks in Australien soll einen Computerangriff auf seinen ehemaligen Arbeitgeber verübt haben. Dabei flossen angeblich 200.000 Gallonen Abwasser in Parks und Flüsse ab. Die Geschichte gilt als einigermaÃen gesichert.
2003: Ein besonders aggressiver Computerwurm namens »Slammer« verbreitet sich auf der ganzen Welt von Computer zu Computer. Später wird er in respektablen amerikanischen
Tageszeitungen, die über gute Kontakte zu Geheimdienstkreisen verfügen, für einen tagelangen Stromausfall entlang der amerikanischen Ostküste mitverantwortlich gemacht. Zitiert werden allerdings nur anonyme Geheimdienstbeamte sowie Kreise der Sicherheitsindustrie. Das US-Energieministerium widerspricht der Darstellung, hier sei ein Cyberkrieg ausgebrochen.
2007: Im brasilianischen Bundesstaat Espirito Santo soll ein Hackerangriff zu einem katastrophalen Stromausfall geführt haben â ähnlich schlimm wie ein paar Jahre zuvor der an der amerikanischen
Weitere Kostenlose Bücher