Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
Dank!«
»Aber … so warten Sie doch! Ich wollte Ihnen noch von meiner allerneuesten Vision berichten, die hatte ich vergangene Nacht. Es ging um ein Haus mit einem seltsamen Turm und einem unheimlichen Keller, ich werde es heute noch malen …«
»Ist das auch ein Bild, von dem unser Schicksal abhängt?«
Mr Turner dachte kurz nach. »Nein, das ist nicht der Fall, jedenfalls spürte ich davon nichts.«
»Dann ein andermal. Wir besuchen Sie bald wieder?«
»Aber ich hatte gehofft, Sie könnten mir sagen, was das Bild darstellt.« Ratlos deutete Mr Turner auf das Gemälde unter Sebastianos Arm. »Es stammt zwar von mir, aber ich habe keine Ahnung, was es sein soll.«
»Dass wüssten wir selber gern.« Sebastiano zog mich in Richtung Ausgang. Dann fuhr er leise und nur für meine Ohren bestimmt fort: »Immerhin wissen wir, wo es ist.«
Als ich zurückblickte, bemerkte ich, wie Mr Turner uns verstört hinterhersah.
»Bist du sicher, dass wir jetzt sofort dorthin gehen sollen?«, fragte ich beunruhigt.
»Ganz sicher. Es kommt wahrscheinlich auf jede Minute an.« Sebastiano ging zu einer Mietdroschke, die an der Ecke stand, und sprach kurz mit dem Kutscher. Dann stiegen wir hastig ein, und das Gefährt rollte in halsbrecherischem Tempo los. Sebastiano blickte angespannt aus dem Fenster. »Ich sehe niemanden. Scheint so, als kämen wir ohne Verfolger ans Ziel.«
»Außer, wenn wir vorher einen Unfall haben.« Ich umklammerte mit beiden Händen den Haltegriff, während die Kutsche bedrohlich in Schräglage geriet, ehe sie mit unverminderter Geschwindigkeit um die nächste Ecke bretterte. »Warum müssen wir so rasen? Ich meine – es steht doch garantiert sowieso einer von Fitzjohns Spitzeln da rum und sieht uns kommen. Fitzjohn weiß, dass wir schon zusammen da gewesen sind – Jerry hatte uns ja hingefahren.« Bitter fügte ich hinzu: »Ich wette, Fitzjohn hat es aus ihm rausgepresst, genau wie alles andere, bevor …« Ich schluckte hart und ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen, denn ich konnte es nicht aussprechen. Und diesmal konnte ich auch nichts gegen die Tränen tun, die sich in meinen Augen sammelten.
»Fitzjohn hat hundertprozentig jemanden dort postiert«, stimmte Sebastiano mir zu. »Und vermutlich schickt er gleich Verstärkung los. Oder fährt selber hin.«
»Aber dazu müsste er doch erst mal wissen, dass wir dorthin unterwegs sind!«
»Wenn er es nicht jetzt schon weiß, kriegt er es in der nächsten halben Stunde raus«, versetzte Sebastiano ruhig. »Turners Verfolger hat garantiert bemerkt, dass er absichtlich abgehängt wurde, und hat Fitzjohn sofort darüber informiert. Der muss jetzt nichts weiter tun, als in der Harley Street auf Turner zu warten. Dort wird er ihn zur Rede stellen und sich das Gemälde beschreiben lassen.«
Zur Rede stellen … Das klang nicht nach einer freundlichen Unterhaltung. Ein Knoten schnürte mir die Kehle zusammen.
»Fitzjohn wird ihm nichts tun«, fuhr Sebastiano fort. Er schien zu ahnen, was ich dachte. »Nicht dem größten lebenden Maler Englands. Denn einen anderen wird es in diesem winzigen Universum, das er vom Rest der Zeit für sich abspalten will, nicht geben. Was natürlich nicht heißt, dass er ihn nicht auf andere Weise erpresst, um rauszufinden, was er wissen will. Jeder hat eine Schwachstelle.«
Die von Mr Turner war sein Vater. Jeder wusste, mit welcher Liebe er an dem alten Mann hing. Mir wurde übel bei dem Gedanken, dass Fitzjohn ihm Gewalt androhen könnte, um Mr Turner unter Druck zu setzen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir die James Street. Mit einem Ruck kam die Kutsche zum Stehen. Sebastiano riss sofort den Schlag auf und sprang hinaus. Ich folgte ihm ohne zu zögern, obwohl mir das Herz vor lauter Angst bis zum Hals klopfte.
Suchend blickte Sebastiano sich nach allen Seiten um, dann straffte er sich. Seine ganze Körperhaltung signalisierte Kampfbereitschaft. Ich hatte Fitzjohns Spitzel nicht so schnell entdeckt wie er, aber dann wurde rasch klar, dass sonst keiner infrage kam – außer dem Typ mit dem Zigarillo waren bloß zwei spielende Kinder und eine alte Frau in der Nähe. Fitzjohns Handlanger lehnte mit dem Rücken an einem Baum und paffte gelangweilt ein paar Rauchwolken in die Luft. Damit war es allerdings schlagartig vorbei, als er Sebastiano und mich plötzlich auf der Bildfläche erscheinen sah. Er ließ den Zigarillo fallen und fuhr mit der Hand unter sein Jackett. Mittlerweile hatte
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