Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
vor, als wir herkamen«, erzählte José. »Ihre Schöpfer kennen wir nicht, aber nach ihrem Vorbild schufen wir weitere Tore und Abwandlungen davon.«
Die Maske beispielsweise. Sie war, wie ich bereits wusste, nichts anderes als eine Art tragbares Tor, das auf besondere Weise mit seinem Besitzer – also mir – verbunden war. Meine Frage, ob es sich dabei um Magie handelte oder um Physik oder Biologie, entlockte José ein schwaches Grinsen, er meinte, die Grenzen zwischen diesen Disziplinen seien schon immer fließend gewesen.
Auch die große Dampfmaschine, die Mr Stephenson entworfen hatte, war ein Tor – entwickelt nach den Kenntnissen der Alten, jedoch bislang nur eine Art Improvisation.
»Einst gab es viele von uns«, sagte José ein wenig melancholisch. »Doch die meisten zogen weiter, etliche für immer, keiner weiß, wohin. Einige hielten die Verbindung nach ihrem Fortgang aufrecht, aber auch sie sieht man nur noch selten.«
»So wie Esperanza«, warf ich ein.
»So wie Esperanza«, stimmte er zu und verzehrte ein Stück Kalbsbraten. Ich starrte ihn an. »Wie seht ihr in Wirklichkeit aus? Ich meine, in eurer echten Gestalt?«
José lächelte flüchtig. »Kind, diese Frage treibt dich seit Jahren um, was?«
»Ja. Und sag jetzt bloß nicht, dass diese Information nichts zur Sache tut. Habt ihr … Tentakel oder so was? Und was ist hinter dieser Augenklappe?!«
Grinsend nahm er noch eine Gabel Bohnen, dann zog er sich die Augenklappe herunter. Dahinter kam eine leere, narbige Höhle zum Vorschein. Ich schluckte heftig. Er hatte wirklich ein Auge verloren.
»Ich bin das, was du siehst«, teilte José mir freundlich mit. »Ein Mensch. Sehr, sehr alt natürlich, denn unsere Gene sind ein bisschen anders als eure. Irgendwann gelang es uns, den Prozess des Alterns aufzuhalten, auch wenn uns das Wissen darum im Laufe der Zeit verloren gegangen ist.«
»Im Laufe welcher Zeit?«, wollte Sebastiano wissen. »Wie lange lebt ihr schon hier?«
»Die ersten Besucher aus unserem Volk kamen vor hunderttausend Jahren, doch sie gingen wieder fort. Eine kleinere Gruppe von uns, zu der auch Esperanza und ich gehören, kam ein paar hundert Jahre nach Christi Geburt, und seitdem leben wir unter euch, jedenfalls die, die noch übrig sind. Mittlerweile sind nur noch wenige von uns da. Wir wurden einst geboren und wuchsen auf, in einer Welt, die schon längst nicht mehr existiert, aber dieser hier nicht unähnlich war.«
Ein Sternenvolk mit einer uralten Zivilisation also, die wie Staub im Wind zerstreut und schon fast untergegangen war. In meiner Vorstellung entstanden ein paar ziemlich surreale Bilder, wie in einem Kinofilm – eine bunte Mischung aus Stargate , Star Trek und Star Wars .
»Wie viele seid ihr noch?«, erkundigte ich mich.
»Ein paar Dutzend. Aber nur noch wenige treten in Erscheinung.«
»Und warum habt ihr dieses seltsame Spiel angefangen?«
»Aus demselben Grund, aus dem alle Menschen spielen – weil das Leben sonst langweilig ist.« Josés Erwiderung klang ein wenig lakonisch, doch ich hörte den ernsten Unterton heraus.
»Esperanza hat gesagt, ihr spielt um die Zeit. Worauf läuft das hinaus? Darauf, dass am Ende einer von euch alle Epochen unter seiner Kontrolle hat? So ähnlich wie bei Monopoly?«
»Ein Teil des Spiels funktioniert tatsächlich so. Es gibt Abtrünnige, die auf Risiko spielen – mit hohen Einsätzen, aber auch um hohe Gewinne. Wenn sie Erfolg haben, ändern sie den Zeitstrom für immer und können auf diese Weise eine ganze Epoche dominieren. Uns Bewahrern geht es hingegen darum, den Zeitstrom in seiner ursprünglichen Form zu erhalten. Denn jede gravierende Änderung kann zur Entropie führen, also zur vollständigen Auflösung und damit womöglich zum Ende der Menschheit.«
»Wieso sind dann manche von euch so darauf versessen, den Zeitstrom zu manipulieren?«, wollte ich wissen. »Was passiert mit ihnen, wenn es schiefgeht? Hören sie dann nicht selber auf zu existieren?«
»Dieses Risiko gehen sie ein.«
Mir kam ein neuer Gedanke. »José, hat es schon mal jemand geschafft, die Zeit so stark zu verändern, dass er sich eine Epoche untertan machen konnte?«
»Einigen gelang es. Aber meist haben die Betreffenden sich damit letztlich nur ihren eigenen Untergang bereitet. Ihre Macht machte sie größenwahnsinnig, am Ende verloren sie alles und wurden zu Schandflecken der Geschichte.«
»Wer?«, fragte ich atemlos. »Nero? Iwan der Schreckliche? Heinrich der Achte?
Weitere Kostenlose Bücher