Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
alter Freund.«
José wirkte abgekämpft, seine Kleidung war schmutzig. Sogar seine Augenklappe war staubig, und gerade eben, als er durch das Tor gekommen war, hatte ich das Gefühl gehabt, dass er sich eiskalt anfühlte. Aber vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet. Irgendwann würde ich ihn vielleicht fragen, ob es den gruseligen Schacht aus meinen Albträumen wirklich gab und ob er etwa gerade von dort hergekommen war. Doch nicht jetzt. Denn ich war so erfüllt von überschäumender Erleichterung, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Er war endlich zurückgekommen!
Mr Stephenson und der Arbeiter waren bewusstlos zu Boden gesunken – ein unvermeidlicher Nebeneffekt, wenn uneingeweihte Personen bei einem Zeitsprung anwesend waren. Nur die großen Mondportale waren so konzipiert, dass niemand in der Umgebung den Durchtritt von Zeitreisenden bemerkte.
Sebastianos Augen leuchteten vor Wiedersehensfreude. Hoffnungsvoll deutete er auf die Maschine. »Können wir sie benutzen?«
»Du meinst, um nach Hause zu springen?« José schüttelte den Kopf. »Das funktioniert nicht. Die Zukunft ist immer noch vom Zeitstrom abgeschnitten.«
»Und wo kommst du dann gerade her?«
»Frag lieber nicht.«
»Ich frage aber. Wo genau warst du die ganze Zeit?«
»In einer Art Niemandsland. An einem Ort, wo es keine Zeit gibt. Und auch sonst nichts.«
Bei dieser Antwort erschauderte ich und dachte an die endlose, graue, leere Ebene, wo ich in meinem Traum Esperanza getroffen hatte. Ich rieb mir den Nacken, der plötzlich höllisch juckte. Ungläubig horchte ich in mich hinein, aber es gab keinen Zweifel. Ich hatte meine Gabe wieder!
»Wir müssen weg!«, stieß ich hervor. »Jemand ist auf dem Weg hierher.«
Nun war mir auch klar, wer dafür verantwortlich war, dass ich zuvor die Gabe verloren hatte – Fitzjohn persönlich. Bei meiner Ankunft in Foscary House hatte er mir den Mantel abgenommen und dabei mit den Fingerspitzen meinen Nacken gestreift. Und ich hatte ihm die ganze Zeit über vertraut …
»Dein Nacken juckt wieder?« Sebastiano sah zuerst mich, dann José erstaunt an. »Hast du da etwa gerade nachgeholfen? Bei eurer Begrüßungsumarmung?«
José nickte geistesabwesend. Er hatte angefangen, ein paar Teile von der immer noch leise zischenden Maschine abzuschrauben.
»So«, sagte er anschließend zufrieden. »Jetzt ist sie wieder eine ganz normale Dampfmaschine.«
Ich rieb mir abermals den Nacken, weil das Jucken intensiver wurde. »Wir müssen wirklich weg«, wiederholte ich.
»Höchste Zeit, uns ein bisschen was über Fitzjohn zu verraten, findest du nicht?«, meinte Sebastiano grimmig.
»Ich erzähle euch alles, was ich über ihn weiß«, gab José zurück. Er steckte die abmontierten Teile der Maschine in einen leeren Kohlensack und warf ihn sich über die Schulter. »Aber lass uns zuerst von hier verschwinden.«
Wir suchten unseren geheimen Unterschlupf auf, wo unsere Zimmerwirtin Mrs Blair es schweigend hinnahm, dass sie einen weiteren Logiergast beherbergen sollte. Möglicherweise wurde ihre Bereitwilligkeit auch durch das Goldstück gefördert, das José ihr in die Hand drückte. Jedenfalls kam sie nach kurzer Zeit mit einer kompletten und sehr schmackhaften Mahlzeit für drei Personen wieder, die wesentlich reichhaltiger ausfiel als der Proviant, mit dem sie uns am Morgen empfangen hatte.
Beim Essen berieten wir uns ausgiebig. Es fiel José sichtlich schwer, unsere drängenden Fragen zu beantworten, zwischendurch wollte er uns auf seine gewohnt wortkarge Weise mit wenig aussagekräftigen Bemerkungen abspeisen, doch wir ließen nicht locker. Schließlich war dies nicht nur unser bisher schwerster Einsatz, sondern es ging auch buchstäblich um alles. Nicht nur um unser Leben, sondern um die komplette Zukunft und um alle Zeiten vor und nach dem Jahr 1813.
So kam es, dass wir endlich mehr über die geheimnisvollen Alten und ihre Zeitreisen erfuhren. Einiges hatte ich mir schon aus den Andeutungen von Esperanza zusammengereimt, aber etliches hörte ich zum ersten Mal. Die Alten stammten aus den Tiefen von Zeit und Raum, aus einem Universum jenseits menschlicher Erkenntnisse. Sie waren nicht mit Raumschiffen gekommen, sondern durch Tore, die Zeiten und Welten miteinander verbanden. Einige Tore hatten sie selbst konstruiert, andere waren schon vorher da gewesen. Die Mondportale waren solche uralten Durchgänge. Niemand wusste, wer sie geschaffen hatte.
»Wir fanden sie
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