Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
eine Reihe von Adressen. Vertrauenswürdige, verschwiegene Leute. Keiner weiß vom anderen, und alle Kontakte mit mir erfolgen über Mittelsmänner.«
»Ein Zellensystem«, meinte Sebastiano nachdenklich. »Sehr klug.«
»Ich war nicht umsonst lange Jahre Mr Marineros Bote. Hätten Sie mir in der Nachricht, die Sie mir kürzlich schickten, nicht nur mitgeteilt, dass Sie vor Fitzjohn auf der Flucht sind, sondern auch, wo Sie sich aufhalten, wäre ich früher zur Stelle gewesen. Sie hätten mir mehr vertrauen sollen.«
»Wir vertrauen Ihnen voll und ganz«, betonte Sebastiano. »Aber Fitzjohn hätte die Nachricht abfangen können. Er hat seine Spitzel überall.«
»Das ist auch wieder wahr«, räumte Mr Scott ein. Nach einer Weile setzte er stockend hinzu: »Glauben Sie mir, niemand ist entsetzter über diesen Mann als ich. Wenn Sie wüssten, welche Vorwürfe ich mir bereits gemacht habe! Schließlich habe ich selbst ihn als Butler für Sie ausgesucht. Und dabei gab es durchaus mehrere Bewerber für den Posten. Wenngleich keiner darunter war, der solch exzellente Referenzen mitbrachte. Das wiederum hätte mich stutzig machen sollen – seine Zeugnisse waren zu gut. Und dieses Pergament, aufgrund dessen ich Anna dazu riet, nach Stonehenge zu fahren … sicher wurde es mir von Fitzjohn zugespielt. Er hat alles genau eingefädelt.« Mit versteinerter Miene starrte er ins Leere.
»Ich wäre sowieso dorthin gefahren«, erklärte ich. »Ob mit oder ohne Pergament. Und um ein Haar hätte ich ja auch Erfolg gehabt! Hätte Reginald mich nicht aus dem Hinterhalt angesprungen, hätte ich mit José zusammen das Tor geöffnet, und er wäre durchgekommen. So wahr ich hier sitze. Außerdem wissen wir jetzt eins ganz sicher: José lebt. Es geht ihm gut. Er wartet immer noch auf seine Chance, zu uns zurückzukommen. Bitte machen Sie sich keine Vorwürfe, Mr Scott! An allem, was geschehen ist, tragen Sie nicht die geringste Schuld!«
Sebastiano wechselte mit einer behutsamen Frage das Thema. »Mr Scott, gibt es etwas Neues über Jerry?«
Der Buchhändler schüttelte stumm den Kopf. In seinen Augen stand unsägliches Leid. Für eine Weile herrschte lastende Stille, untermalt vom Rumpeln der Räder auf dem Straßenpflaster. Wir fuhren ziellos durch die Stadt; ich hatte keine Ahnung, wo wir waren, denn die Vorhänge waren zugezogen. Sebastiano hatte einen Arm um mich geschlungen. Ich hielt ihn umklammert und drückte mein Gesicht an seine Schulter. So nah wie vorhin war er dem Tod noch nie gewesen. In mir tobte immer noch ein Aufruhr der unterschiedlichsten Gefühle. Das intensivste davon war Dankbarkeit.
»Wie haben Sie uns eigentlich gefunden, Mr Scott?«, fragte ich.
»Das war nicht weiter schwierig. Ich bin Smith seit Tagen gefolgt, denn ich wusste ja, dass er in Fitzjohns Auftrag nach Ihnen fahndete. Ich musste Sie ebenfalls finden, weil ich wichtige Neuigkeiten für Sie habe. Als ich bemerkte, dass der Kerl das Haus in der Brick Lane beobachtete, wurde mir klar, dass er Sie aufgespürt hatte. Also blieb ich da und wartete.«
»Und retteten uns das Leben.« Mir entfuhr ein letzter zittriger Seufzer, dann riss ich mich zusammen und setzte mich gerade hin. Es nützte niemandem, wenn ich mich die ganze Zeit wie eine hysterische Heulsuse aufführte.
»Sie sagten, Sie haben Neuigkeiten für uns?«, erkundigte Sebastiano sich. »Hoffentlich gute.«
»Das wird sich wohl erst finden müssen. Vor einigen Tagen suchte ich den Maler auf – Mr Turner. Die Botschaft, die Mr Marinero Ihnen vor seinem Verschwinden hinterließ, beschrieb ihn ja ausdrücklich als sehr wichtig für Ihre Mission. Deshalb dachte ich, dass Sie mit ihm vielleicht noch in Verbindung standen und ich auf diese Weise etwas über Ihren Aufenthaltsort herausfinden könnte. Ich hatte mir große Sorgen um Sie beide gemacht.«
»Wir hatten keinen Kontakt zu Mr Turner«, sagte Sebastiano. »Aus demselben Grund, aus dem wir auch Ihnen nicht geschrieben haben, wo wir sind.«
»Das verstehe ich«, stimmte Mr Scott zu. »Aber rückblickend erweist es sich als glückliche Fügung, dass ich den Maler aufsuchte, denn er hat ein neues Gemälde gefertigt und möchte unbedingt, dass Sie beide es sehen. Er war sehr aufgeregt deswegen.«
»Haben Sie es sich schon angeschaut? War es wieder eines dieser Flucht- und Angst-Porträts, die er von Anna gemalt hat?«
»Er wollte es mir nicht zeigen, da es nur für Ihre Augen bestimmt sei. Es schien ihm immens wichtig zu sein, dass
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