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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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du mir sagst, wo das Haus ist, kann ich auch alleine hinfahren«, bot ich ihr an. »Dein Gondoliere lässt mich einfach da aussteigen, du musst dich überhaupt nicht darum kümmern.«
    »Unfug«, sagte Marietta knapp. »Niemals würde ich dich ohne Schutz dorthin gehen lassen. Ich kenne Alvise. Ich weiß, wie skrupellos er sein kann. Kürzlich hat er einem meiner Mädchen ins Gesicht geschnitten, nur weil sie sich weigerte, seine sadistischen Spielchen im Bett mitzumachen. Seitdem hat er Hausverbot. Er ist nicht nur Sebastianos Feind, sondern auch meiner.«
    Das ließ die Sache ein bisschen anders aussehen. Ich versuchte nicht länger, sie vom Mitkommen abzuhalten. Es war auf jeden Fall von Vorteil, sie dabeizuhaben. Zum Beispiel, wenn es darum ging, Wunden zu verbinden.
    Die Gondel glitt über die breite Wasserstraße, die die übrigen Stadtteile Venedigs von der Giudecca trennte. Der Wind war schneidend kalt, ich fror trotz des warmen Umhangs. Ab und zu wehte mir Gischt ins Gesicht, bis meine Nase und Wangen sich wie gefroren anfühlten.
    Bald lag im grauen Dunst das Ufer vor uns, das anders als in der Zukunft keine zusammenhängenden Häuserreihen aufwies, sondern neben den Gebäuden auch Viehweiden und Gärten.
    »Da drüben ist es«, sagte Marietta. Sie zeigte auf einen kastenförmigen Palazzo, der von einem Garten umgeben war. Auf einer benachbarten Grasfläche waren ein paar Schafe zu sehen.
    Am Kai vor dem Haus lagen mehrere Gondeln, darunter die rote.
    »Sie sind schon im Haus«, sagte ich mit heftig klopfendem Herzen, während der Gondoliere anlegte. Das Gebäude sah still und verlassen aus, die Fensterläden waren geschlossen. Kein Kerzenschein fiel durch die Ritzen nach draußen. Nirgends waren Wachen zu sehen, rund ums Haus herrschte Stille. Bis auf das Blöken eines Schafs und das Rauschen der Wellen war nichts zu hören.
    »Irgendetwas stimmt hier nicht«, sagte Marietta. Zögernd drückte sie gegen die Tür. »Sieht fast so aus, als wäre niemand hier.« Zu meiner Überraschung schwang die Tür sofort auf.
    Wir blickten in eine dunkle Halle, von der mehrere Türen abgingen.
    »Warte«, flüsterte ich, als Marietta das Haus betreten wollte. »Das könnte ein Hinterhalt sein!« Ich horchte kurz in mich hinein, doch ich spürte nicht das kleinste Jucken. Trotzdem hatte ich das Bedürfnis, mich zu bewaffnen. Ich sah mich um, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, das sich zur Selbstverteidigung eignete. Am Rand der benachbarten Schafskoppel lag ein Stapel armlanger, angespitzter Zaunpfähle. Ohne groß nachzudenken, ging ich hinüber und griff mir zwei davon. Einen reichte ich Marietta. »Da.«
    »Wofür ist das?«
    »Für alle Fälle.«
    Skeptisch musterte sie den spitzen Pflock. »Nun ja. Wenn es brenzlig wird, können wir die Dinger immerhin wegwerfen, dann können wir schneller weglaufen. Ich setze eher auf männlichen Beistand.« Sie winkte dem Gondoliere, sich zu uns zu gesellen, was dieser sichtlich zögernd tat. Argwöhnisch blickte er sich um, als er gemeinsam mit uns die Halle betrat. Anscheinend fühlte er sich genauso unwohl in seiner Haut wie ich mich in meiner. Ich tröstete mich damit, dass mich das Jucken schon rechtzeitig warnen würde, doch kaum hatte ich das gedacht, setzte es auch schon mit solcher Macht ein, dass ich aufschrie und mir an den Nacken griff.
    Mitten in der Halle bildete sich auf dem Fußboden eine weiß schimmernde Linie aus.
    »Schnell raus hier!«, schrie ich.
    Neben mir polterte es, Marietta hatte den Holzpflock fallen lassen. Entsetzt sah ich, wie sie zu Boden sank und reglos liegen blieb. Neben ihr fiel der Gondoliere um wie ein gefällter Baum und rührte sich nicht mehr.
    Die Linie aus Licht verbreiterte sich binnen Augenblicken zu einer Art Blase, so schnell, dass man es kaum richtig mitbekam, und dann platzte sie in einem Funkenregen auf. Zwei Gestalten kamen zum Vorschein. Das helle Licht hatte sich in meine Netzhaut gebrannt, ich konnte nicht sofort sehen, um wen es sich handelte. Doch dann hörte ich die Stimme und wusste, dass einer der Neuankömmlinge Alvise war.
    »Pünktlich wie die Maurer«, sagte er in aufgekratztem Ton.
    Das Jucken brachte mich fast um. Den Pfahl mit beiden Händen umklammernd, ging ich rückwärts in Richtung Tür – und erschrak fürchterlich, als sie mit einem Krachen hinter mir ins Schloss fiel.
    »Schön hiergeblieben«, sagte Dorotea. Sie musste sich von draußen angeschlichen haben. Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet

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