Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
wie Arkebusen geladen werden.«
Tatsächlich war es nicht besonders aufregend, beim Laden der Gewehre zuzusehen. Es waren klobige Waffen mit grob geschnitzten Schäften und langen eisernen Läufen und die dazugehörigen Utensilien ähnelten den Geräten, die wir zu Hause zum Anzünden unseres Schwedenofens benutzten. Wenigstens erfuhr ich auf diese Weise, wie kompliziert es im fünfzehnten Jahrhundert war, ein Gewehr zu laden. Ganz abgesehen von dem stechenden Gestank des Schießpulvers (es roch so ähnlich wie Chinaböller nach dem Abfeuern). Wie es schien, ging in diesem Jahrhundert nichts ohne lästige Gerüche.
Die Männer luden die Waffen und packten alles in eine Kiste. Während ich überlegte, ob die Malipieros wohl ebenfalls geladene Gewehre bereitlegten, blickte ich mich um. Von der Galerie führten Stufen hinab. Ein Teil des Saals war um das Wasser herum erbaut, sodass man mit dem Boot direkt ins Haus gelangen konnte. Als ich über das Geländer der Galerie nach unten spähte, bemerkte ich dort die Gondel. Eine Plane war darübergezogen, doch an einer Stelle ragte ein Stück heraus und ich sah, dass das Holz von feuerroter Farbe war.
Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber mit einem Mal war ich sicher, die besondere Magie dieses Bootes zu spüren. Wenn ich die Augen schloss, kam es mir vor, als könnte ich schon das gleißende Licht sehen, in dem diese vergangene Welt sich bald vor meinen Augen auflösen und verschwinden würde.
Dann war es so weit. José kletterte die Stufen zur Wasserlinie hinunter und zog die Plane von der Gondel.
»Es kann losgehen«, sagte er freundlich zu mir.
Natürlich kam das nicht unerwartet, trotzdem fühlte ich mich überrumpelt. Hilflos blickte ich zu Bartolomeo. Jetzt ging es ans Abschiednehmen! Mit einem Mal hatte ich das heftige Bedürfnis, zu heulen. Ich konnte kaum die Tränen zurückhalten.
Ich stand vor Bart und ließ den Kopf hängen. »Auf Wiedersehen«, sagte ich mit dünner Stimme.
»Wohl eher nicht«, versetzte er sanft. Er zögerte kurz, doch dann trat er vor und nahm mich in den Arm. »Du bist ein mutiges Mädchen. Ich werde dich nie vergessen.«
»Ich dich auch nicht.« Jetzt fing ich doch an zu heulen. »Vielen Dank für alles«, schluchzte ich.
»Ich danke dir .«
»Und grüß mir Clarissa, hörst du? Sag ihr, dass ich immer an sie denken werde! Und dass ich ihr alles Glück der Welt wünsche! Das wünsche ich euch beiden!«
Er ließ mich los und nickte mit abgewandtem Gesicht. »Nun geh schon.«
Hastig wischte ich mir die Tränen ab und bemerkte dabei nur am Rande, dass meine Hände rußverschmiert waren. Auch das schöne frische Kleid hatte ein paar Flecken abgekriegt. Egal, wen interessierte das bisschen Schmutz noch.
Sebastiano und José waren schon in die Gondel gestiegen.
»Sobald wir sie zurückgebracht haben, kommen wir wieder her und holen dich«, sagte Sebastiano.
José stieß die Gondel von den Stufen weg, in Richtung Wassertor. Während Sebastiano das Gittertor aufschloss, erschien Marietta oben auf der Galerie. »Da bin ich ja gerade noch rechtzeitig wach geworden!«, rief sie. Sie betrachtete mich stirnrunzelnd. »Es ist viel zu kalt, um ohne Umhang loszufahren!«
»Ich komme schon zurecht«, rief ich zurück. Es war tatsächlich kalt, sogar richtiggehend eisig, doch für das kurze Stück wäre es mir übertrieben vorgekommen, gute Kleidung zu verschwenden. Ich hatte mir bloß ein Schultertuch umgelegt, denn ich würde ja in meinen zukünftigen Klamotten in meiner eigenen Zeit landen.
Obwohl man sah, dass Marietta gerade aus dem Bett kam, war sie schön wie eh und je. Ihr Nachthemd war aus Seide und ziemlich durchsichtig und mit dem langen schwarzen Haar wirkte sie wie die erotische Variante einer Fee, doch zum ersten Mal störte es mich nicht, dass sie so toll aussah.
»Danke für alles«, rief ich ihr zum Abschied zu. »Vor allem für die schönen Kleider!«
Die Gondel glitt durch das Tor auf den Kanal hinaus und Bartolomeo und Marietta entschwanden meinen Blicken.
Heroisch unterdrückte ich einen letzten Schluchzer und setzte mich aufrecht auf die Bank.
Sebastiano hängte derweil ein Windlicht am Bug auf, während José am rückwärtigen Ende der Gondel das Ruder betätigte.
Wir redeten nicht viel, denn es blieb nur wenig Zeit. Sebastiano hatte sich kaum neben mich gesetzt, als wir uns auch schon der Stelle näherten, an der ich bei der Regata storica ins Wasser gefallen und von Sebastiano gerettet worden war. Im
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