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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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auf.
    Schreib sie auf?
    Schreib sie auf.
    Die Worte kommen ihm ohne Anstrengung – wie der Vergleich –, sie kommen von irgendwoher wie ein Androiden-Affe, und er fragt sich, warum ihm das erst jetzt einfällt. Wieder nimmt er an, daß er die Idee schon früher gehabt hat und sie dann entweder nicht durchführte oder von M ASCHINE daran gehindert wurde.
    Dieses Mal aber nicht, beschließt er – was auch immer dieses Mal ist.
     
     
    Als sie die Tür aufschlossen und mit ihren hellen Fackeln, die die Dunkelheit durchschnitten, hereinkamen, glaubte Marcel Perier, seine letzte Stunde habe geschlagen, und er schlug ein Kreuz, als er aufstand.
    Dann aber lachte einer der Schatten hinter den Fackeln. „Komm raus, Marcel“, sagte eine Stimme, als das Gelächter erstarb. „Noch bist du nicht reif fürs Schafott.“
    „Raul!“
    „Wer sonst?“ sagte der andere Lothringerhauptmann, und die beiden umarmten sich. „Aber gehen wir doch. Die Zelle hier stinkt, und Ratten gibt es auch.“
    „Ich weiß.“
    Sie gingen aus der Zelle heraus. Der Wächter schloß hinter ihnen die Tür wieder zu und eilte die enge Wendeltreppe aus Stein hinauf.
    Perier fragte: „Hat der König mich freigelassen?“
    „Eigentlich nicht.“
    „Ihr befreit mich also?“
    „Das auch nicht.“
    „Was denn sonst?“
    „Es wird gerade eine neue Armee für einen Feldzug gegen das Saarland ausgehoben, und da du der einzige Überlebende der Schlacht bist…“ Raul stieß die schwere Tür auf, sprach aber den Satz nicht zu Ende, den er angefangen hatte.
    Hauptmann Perier sagte nichts.
    Er wiederholt immer wieder für sich: Schreib es auf. Schreib es auf. Er hofft, es auf diese Art nicht zu vergessen. Er versucht sein Bestes, M ASCHINE ZU ignorieren. Er sieht sie nicht an, falls sie in der Lage sein sollte, seine Gedanken durch seine Augen zu lesen.
    Wie aber kann er sich etwas verschaffen, worauf er das niederschreiben kann, was er von seinen Ausflügen in die Zukunft behält? Selbst wenn ihm das gelingen sollte, wie soll er es schaffen, etwas zu schreiben, ohne daß M ASCHINE es merkt? Immer von der Voraussetzung ausgegangen, daß er sich an das erinnern kann, was während seiner geistigen Zeitreisen geschieht – und daß M ASCHINE ihm in der Zukunft die Wahrheit sagt.
    Schreib es auf.
    Der einzige Kontakt, den er zur Außenwelt hat – sowohl über als auch unter der Oberfläche – ist M ASCHINE . Er sieht alles durch ihren Bildschirm: seine Kontakte mit Beobachtern und Wächtern, Ausschnitte von Aufzeichnungen des Lebens an der Oberfläche.
    Schreib es auf.
    Kann er M ASCHINE nach Schreibgeräten oder sogar einem Tonbandgerät fragen? Sicher kann er das, aber das wird ihm nichts nützen. Selbst wenn sie zustimmt, wird sie einen Weg finden, um ihn hereinzulegen.
    Schreib es auf.
    In seiner Wohnung gibt es nichts, was er benutzen könnte. In seiner Wohnung ist eigentlich überhaupt nichts. Nichts als zwei fast leere Zimmer, eines davon mit einem Bett, Erster selbst und M ASCHINE . Sein Essen bekommt er durch eine kleine Öffnung in der Wand im kleineren Zimmer, und eine weitere Öffnung ist gerade groß genug, damit er sich hinsetzen und seine Verdauungsüberreste loswerden kann. In der Decke sind Gitter angebracht, und er nimmt an, daß sie dazu dienen, die Temperatur auf gleichem Niveau zu halten und die Luft zirkulieren zu lassen.
    Schreib es auf.
    Er weiß, daß er schon andere Menschen gesehen haben muß, aber er weiß nicht mehr, wann das war. Alle Kontakte mit denen, über die er herrscht, sind indirekt. Plötzlich fällt ihm ein Befehl wieder ein, den er erteilt hat, und er fragt sich, wie lange das her ist und ob er durchgeführt wurde. Er muß M ASCHINE danach fragen, aber nicht jetzt. Oder hat er schon gefragt? Er kommt ihm bekannt vor.
    Schreib es auf.
    Der Befehl, jemanden zu finden – die Frau aus dem Dorf – und sie zu ihm zu bringen. M ASCHINE sagte, daß es erledigt werden würde. Was meinte sie aber damit? Erster ist der Meinung, daß er sie persönlich sehen wollte und nicht auf dem Bildschirm. Vielleicht kann er sie zur Frau nehmen und ihr ebenso wie M ASCHINE erzählen, was in der Zukunft geschehen wird. Auf diese Art könnte M ASCHINE ihn nicht anlügen, ohne daß auch sie es wüßte.
    Schreib es auf.
    Wird es aber so klappen? Er müßte es wissen. Es sollte eigentlich nur ein paar Tage dauern, bis sie gefunden ist, und daher müßte er wissen, ob das in der nächsten Zukunft geschehen wird oder nicht. Er weiß es aber

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