Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
kleiner Punkte auszumachen.
Nun wurden mir schwere Eisenketten angelegt und ich nahm an, dass mit Maddy im selben Augenblick das Gleiche geschah. Mehrere Wächter hoben mich hoch.
Reverend Crox erhob sich und blickte feierlich zum Himmel. »Lass das Wasser nicht empfangen den Körper dessen, der – vom Gewicht des Guten befreit – durch den Wind der Ungerechtigkeit empor getragen wird«, sprach er und signalisierte dem anderen Boot per Handzeichen, Maddy ins Meer zu werfen.
Im selben Moment wurde auch ich ins Wasser geworfen.
Eisig schlugen die grauen Fluten über mir zusammen und ich sank wie ein Stein.
Für einen kurzen Augenblick übermannte mich die Panik. Wie zynisch, dass man mich ertrinken lassen wollte, um zu beweisen, ob ich eine Hexe war oder nicht.
Nun, ich war keine Hexe. Ich war ein Vampir.
Daher besann ich mich darauf, dass ich ja eigentlich nicht zu atmen brauchte, und konzentrierte mich darauf, mich von den Fesseln und Ketten zu befreien. Ich benötigte nicht allzu viel Zeit dafür und registrierte einmal mehr mit Freude meine neu gewonnene Kraft. Dann schwamm ich unter Wasser in kräftigen Zügen in die Richtung, in der man Maddy ins Meer geworfen hatte. Kurz darauf bemerkte ich eine Gestalt, die auf mich zu schwamm.
Es war Maddy und sie grinste mich an.
Unbändige Freude ergriff mich und ich begriff, dass Maddy auch von meiner Art war. Ich hatte bereits bei unserer ersten Begegnung so etwas vermutet, da sie ein wenig anders roch als die Menschen, aber ich war mir nie ganz sicher gewesen. Wir umarmten uns unter Wasser und Maddy bedeutete mir, noch ein paar Meilen weiter südlich die Küste lang zu schwimmen, damit wir unseren Häschern vorerst entkamen.
Kurz vor Dunbar gingen wir schließlich an Land und ließen uns ermattet auf den Strand fallen. Wir waren nicht wirklich körperlich erschöpft, doch forderten die jüngsten Erlebnisse ein wenig ihren Tribut, so dass wir zunächst eine Weile nur so liegenblieben und unsere Kleider vom kühlen Herbstwind trocknen ließen.
Schließlich richtete ich mich auf und sah Maddy neugierig an. »Du hast gewusst, was ich bin?«, fragte ich sie.
»Ich habe es zumindest vermutet«, antwortete sie lächelnd.
»Warum hast du dann nichts gesagt? Wir hätten uns diese ganze Aufregung hier ersparen können.«
»Ich war mir nicht ganz sicher«, erklärte Maddy entschuldigend. »Und als sie dann drohten, dich zu töten, war mir das Risiko zu groß, falls du doch ein Mensch gewesen wärest.«
Ich blickte nachdenklich aufs Meer. »Mir ging es genauso.«
»Aber was wäre gewesen, wenn sie keine Wasserprobe mit uns gemacht, sondern uns direkt auf den Scheiterhaufen gebracht hätten?«, fragte ich dann. »Das Feuer hätte uns mehr anhaben können als das Wasser.«
»Dann hätte ich einen Befreiungsversuch gestartet«, erklärte Maddy entschlossen. »Selbst wenn du ein Mensch gewesen wärest, hätte es vielleicht eine gewisse Chance gegeben. Immerhin war ich mir einer Sache von Anfang an sicher«, ergänzte sie schelmisch, »dass du nämlich kein Gerald Galveston bist, sondern eher eine Geraldine Galveston.«
»Gemma«, korrigierte ich lächelnd, »und nicht Galveston, sondern Winwood. Woran hast du es gemerkt?«
»Ich sah die Wehmut in deinem Blick, als ich von Mistress Lanarks Kindern und ihren zyklischen Beschwerden sprach«, antwortete Maddy leise.
Wieder blickte ich eine Weile schweigend aufs Meer. »Wie wurdest du zu dem, was du bist?«, fragte ich Maddy dann.
Sie berichtete mir, dass sie im Mittelalter in einem Kloster aufgewachsen war, deren Nonnen sie in der Heilkunde unterrichtet hatten. Dann wurde das Kloster im Zuge der normannischen Eroberung 1066 überfallen und besetzt. Die Äbtissin stellte sich als alte Vampirin heraus, die sich in der Abgeschiedenheit des Klosters von der weltlichen Gesellschaft hatte zurückziehen wollen. Nachdem die Normannen das Kloster in Besitz genommen hatten und die Nonnen gefangen hielten, verwandelte die Äbtissin Maddy, damit diese sich gegen die Eindringlinge zur Wehr setzen konnte.
»Herrjeh, ich war 32 und noch Jungfrau. Und ich hatte noch nichts von der Welt gesehen. Nun, ich hatte danach viel Zeit, an beiden Umständen etwas zu ändern. Nur eines wusste ich von Anfang an: Dass ich nie meinen Durst durch Menschen stillen würde«, schloss Maddy wehmütig lächelnd ihre Geschichte.
»Du hast es nie versucht?«, fragte ich neugierig.
»Nie«, antwortete sie ernst.
Danach berichtete ich ihr von meiner
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