ZEITLOS - Band 2 (German Edition)
Berlin noch in diesem Jahr gesühnt werden. Die Menschen hätten ein Recht darauf und er, Bernauer, Präsident des Bundesnachrichtendienstes verspreche es ihnen höchstpersönlich, dafür Sorge zu tragen.
Er machte eine Kunstpause – der erwartete Applaus blieb aus, nur nervöses Hüsteln und Räuspern war aus dem Kirchenschiff zu hören. Ernüchtert informierte er daraufhin die Anwesenden über die Einzelheiten und den Ablauf der nun bevorstehenden, schamanischen Zeremonie. Mit eindringlichen Worten appellierte er an die Gemeinde, doch mit aller Inbrunst mitzuarbeiten, um die erforderliche, gewaltige Gedankenenergie bereitzustellen, damit die gestörten Kristallgitter des Siliziums endlich wieder in ihren Ursprungszustand versetzt werden konnten.
Draußen wurde das Geschehen über Lautsprecher verstärkt, die die Worte bis hinunter zum Hafenbecken trugen. In der gesamten Stadt waren ebenfalls Megaphone installiert worden um alle Eckernförder teilhaben zu lassen.
Endlich wurden ihnen die Isolierhelme abgenommen. Zum ersten Mal seit langer Zeit sah Markus seine Frau und seine Freunde wieder und erschrak. Wie furchtbar sie aussahen! Wie übel hatte man ihnen mitgespielt? Hatte er sich bislang der Hoffnung hingegeben gehabt, nur er möge so hart malträtiert worden zu sein, so sah er jetzt, dass es der gesamten Gruppe nicht besser ergangen war als ihm. Vor Verbitterung drehte sich ihm beinahe der Magen um.
Erst nach endlosen Sekunden wagte er die versammelte Menschenmenge im Kirchenschiff anzusehen, wurde dabei von den aufgestellten Scheinwerfern aber so geblendet, dass er nur einen dunklen Raum vor sich zu sehen glaubte. Niemand war zu erkennen. Nur die erste Reihe mit Bernauer in der Mitte lag noch im ausgeleuchteten Bereich, am rechten Rand bemerkte er einige seiner Peiniger aus dem Labor.
Auf der anderen Seite gegenüber der Kanzel, eskortiert von Geheimdienstlern, saßen Kim, Svenja und Myrja. Die Kinder sahen zu Boden, vermieden jeden Blickkontakt mit ihren Eltern. Sicher hatte man sie dazu angewiesen.
Bernauer deutete mahnend auf den Ablaufplan in seiner Hand. Markus verstand. Er erhob sich und wies die Freunde an, ihre Plätze im Halbrund vor der Kanzel einzunehmen. Kerstin, obwohl hohlwangig und mit tiefen Rändern unter den Augen, stieg erhobenen Hauptes und mit geradem Rücken auf die Kanzel, dabei leise ihre Trommel schlagend. Lars öffnete den ledernen Beutel und breitete ihn im Mittelpunkt des Halbkreises aus. Simon platzierte den Zeremonienquarz mit hilfloser Geste daneben, mit Ausrichtung zur Kanzel. Sein Blick war ein einziges Fragezeichen. In einer Wandnische dampfte ein Wasserkocher. Lars nahm ihn und stellte ihn neben sich, maß die Drogen ab, gab sie in einen silbernen Trinkpokal, den er mit dem heißen Wasser aufgoss. Würzige Aromen stiegen auf und verbreiteten sich.
Während dessen begann Birte die Formeln aufzusagen, die auf der Innenseite des Beutelleders geschrieben standen. Neue Hoffnung Erde stimmte mit ein. Nach dem Rezitieren der magischen Sprüche war es an der Zeit für den Drogentrank. Lars trank als erster und reichte ihn dann an Kerstin, die auf der Kanzel stand weiter. Er gab auch den anderen davon zu trinken.
Eine aufmerksame Stille hatte sich ausgebreitet. Markus fühlte es, die Zeit war gekommen. Er begann sich von der Außenwelt abzutrennen, begab sich in sein Herzchakra, wartete auf die türkisblaue Dünung, mit der sich Corona de Luz immer ankündigte. Sein Gesichtsfeld verengte sich, die erwartete Dünung erschien nicht, auch das vertraute Feld von Corona de Luz blieb aus. Er versenkte sich tiefer, lauschte seinem Atem. Da! Endlich bekam er Kontakt zu einem Feld, es war jedoch nicht das Feld von Corona de Luz – es unterschied sich deutlich.
Er erkannte: Es war das Liebesfeld der Menschenmassen, das sich noch immer verstärkte. Überdeutlich nahm er die Reize seiner Sinnesorgane wahr, und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, das alles noch viel intensiver war als je zuvor.
Und doch war da eine Störung. Ein Raunen, das sich den Kehlen der Menschen im Kirchenschiff entrang signalisierte es. Dem folgte ein huschender, weißer Fleck, der in Markus' Gesichtsfeld auftauchte. Das konnte doch nicht sein! Eine weiße Katze sprang in ihre Mitte, schmiegte sich sofort an Birte. Sie hörten alle den Ruf von Svenja: »Mara, meine Mara! Komm her zu mir! Mara, komm schon!« Augenblicklich wurde ihr Rufen unterbunden.
Nun war da nur noch Raum für die tiefe Stimme mit
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