ZEITLOS - Band 3 (German Edition)
nickte zustimmend und wechselte sofort das Thema. >Ich habe läuten hören, dass dir zum Ende der Reunion eine ganz besondere Ehre zuteil werden soll. Was genau, weiß ich zwar nicht, aber Frohnert soll sich innerhalb des Präsidiums darüber ausgetauscht haben. Bin ja mal gespannt.<
Markus hatte auch schon davon tuscheln hören. Man munkelte so dies und das, aber Genaues wusste niemand. Er nahm es auch nicht so wichtig, schließlich gab hier jeder sein Bestes, und eigentlich passte das Herausstellen persönlicher Verdienste auch nicht mehr so recht zum Bild eines Team-orientierten und vernetzten Miteinanders.
Bei der Schlussveranstaltung der Versammlung traf es ihn dann aber doch auf dem falschen Fuß, als nicht Frohnert allein, sondern das gesamte Präsidium der CAU, bestehend aus dem Präsidenten, drei Vizepräsidenten und dem Kanzler, sich erhob und ihn nach vorn aufs Podium bat.
Dort verlas der Präsident mit Sprechstimme: »Ich habe die außerordentliche Ehre, Herrn Professor Markus Stettner, Abteilungsleiter für Halbleiterphysik, nach § 35 der Universitätsordnung zum Ehrenbürger der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zu ernennen. Gewürdigt wird damit nicht nur seine hervorragende Arbeit auf dem Gebiet der Clusterforschung, sondern ausdrücklich auch seine in den Jahren seit dem Ereignis geleistete Arbeit auf dem Gebiet des Ausbaus der sozialen und mentalen Fähigkeiten. Der Präsident sah von seinem Papier auf und lächelte Markus zu, als er fortfuhr: »Zugleich dürfen Sie sich mit Fug und Recht zu den Gründungsvätern unseres mittlerweile von allen Staaten der Welt übernommenen Ehrenkodexes rechnen. Das Universitäts-Präsidium ist stolz darauf, einen so hervorragenden Wissenschaftler und verdienten Mitstreiter für eine bessere Gesellschaftsordnung in seinen Reihen zu wissen.«
Markus schwindelte. Das war die höchste Ehrung, die die Universität zu vergeben hatte - damit hatte er nun wirklich niemals gerechnet. In einer Reihe berühmter Physiker wie Geiger, Hertz, Lenard und Max Planck zu stehen, das war unvorstellbar! Wie durch Watte gedämpft, vernahm er den nicht enden wollenden Applaus der Kollegen und Studierenden.
Auf einer anderen Ebene seines Bewusstseins fühlte er sich von Wohlwollen, Stolz und Ehrerbietung getragen. Er nahm die Urkunde entgegen, man erwartete von ihm offensichtlich eine Geste des Dankes. Es war ihm nicht möglich bei dem Aufruhr seiner Sinne mittels Kopfstimme zu sprechen. So trat er an das Pult und prüfte, ob das Mikrofon offen war. Dann straffte er sich und nahm sich zusammen: »Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kollegen, liebe Studierende. Sie sehen mich gerührt und völlig überrascht, um nicht treffender zu formulieren: überwältigt!«
Später wusste Stettner nicht mehr, was er da in seiner Dankesrede eigentlich genau gesagt hatte. Er erinnerte sich nur daran, dass er ein unglaublich gutes und sicheres Gefühl dabei gehabt hatte. Im Nachhinein erschien es ihm fast, als habe er die Worte der Dankesrede aus einer ihm unbekannten Quelle abgerufen. Akashafeld-Kommunikation?, kam ihm augenblicklich als mögliche Antwort in den Sinn.
Darüber musste er sich mit Kerstin demnächst unterhalten. War nicht auch sie, und das schon seit Jahren, ohne vorbereiteten Predigttext in der Lage, 'aus dem Bauch heraus' zu predigen, ohne dass dabei jemals der Eindruck entstand, dass sie nicht sehr genau wusste, was sie zu sagen hatte? Sehr rätselhaft !
Länger hatte er nun keine Zeit mehr seinen Gedanken nachzuhängen, denn er merkte, dass der Zug zum nächsten Halt in Eckernförde an Fahrt verlor und bremste. Er sah aus dem Fenster. Gerade passierten sie den vorletzten beschrankten Bahnübergang. Er freute sich, für Augenblicke einen Blick auf das spiegelglatte, hellblau leuchtende Wasser der Eckernförder Bucht zu erhaschen, bevor immer wieder Häuser, Bäume oder Hecken die Aussicht versperrten. Nur noch im Schritttempo fahrend, schlängelte sich der Zug dann, die Eckernförder Reeperbahn querend, in das Haltegleis des Bahnhofs ein.
Markus hatte seinen Rucksack bereits geschultert und hob sein Fahrrad hinunter auf den Bahnsteig. Sein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass auch Birte demnächst Feierabend haben würde, deshalb beschloss er kurzerhand, sie vom kommunalen Kinderhaus abzuholen.
Noch während er diesen Beschluss fasste, stand ihr Bild vor seinem Auge. Er konnte seine aufflammende Freude, sie nach vier
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