ZEITLOS - Band 3 (German Edition)
ihre Penthousewohnung lag, unversehrt an seinem Platz.
Sie riss sich aus ihren Erinnerungen und legte den zwei Zentimeter großen, polierten Bergkristall, der aus zwölf gleichmäßigen, fünfeckigen Flächen bestand, aus der Hand und beobachtete fasziniert, was an der Fensterscheibe nun geschah. Urplötzlich zeigten die entstehenden Kristalle nur noch hässliche Formen und undefinierte Zustände.
Ihr schauderte. Schnell griff sie wieder zur Kette und legte sie sich um den Hals, jetzt war wieder alles in Ordnung - mit den Kristallen und mit ihrem Befinden. Ohne diesen Talisman schien sie außerhalb des Systems zu stehen, nicht dazuzugehören, abgetrennt von all dem Wunderbaren zu sein, das sich seit der Transformation vor acht Monaten mit immer neuen Überraschungen den Menschen offenbart hatte.
Wenn sie die Halskette trug, konnte sie beobachten, wie ihr von allen Menschen, denen sie begegnete, große Zuneigung und Hingabe entgegengebracht wurde. Das ging soweit, dass Nele sich nur intensiv auf einen bestimmten Wunsch zu fokussieren brauchte und augenblicklich selbst wildfremde Leute nichts anderes mehr im Sinn zu haben schienen, als ihr, Nele Hesse, diesen Wunsch umgehend zu erfüllen. Das war praktisch, und es wirkte auf sie wie ein Aphrodisiakum.
Sie schloss die Augen und presste beide Hände auf den Stein an ihrem Hals und fokussierte sich auf den Wunsch, ihre gegenwärtige Liebschaft möge endlich das Bad verlassen und ins Schlafzimmer zurückkehren, um sie nackt und wohl duftend zu fragen, womit sie ihre Herrin einölen und massieren dürfe. Bei dieser Vorstellung schlug ihr Herz merklich heftiger und ein wollüstiger Schauer überlief sie.
Sie hörte, wie die Badezimmertür geöffnet wurde und wartete auf die ersehnte Frage. >Herrin, womit möchtest du, dass ich dich massiere – Jojoba-Öl mit Erdbeer- oder Grapefruitnote?< Nele genoss den Erregungsimpuls, der sie bei diesen Worten durchflutete. Dann besann sie sich ihrer Rolle und drehte sich aufreizend langsam zu Katrin um, deutete mit bestimmender Geste auf das Öl mit der Grapefruitnote und ließ sich dann bäuchlings auf das zerwühlte Himmelbett gleiten - den Talisman schob sie dabei zur Seite, damit er sie nicht drückte.
Katrin kniete sich neben sie - Nele sog gierig das betörende Aroma des jungen Körpers ein - dann begann die Kleine damit, ihr das vorgewärmte Öl langsam über Rücken, Po und Oberschenkel zu träufeln. Nele konnte nicht verhindern, dass ihre Muskulatur dies mit heftigem Zucken der betroffenen Körperpartien quittierte ...
Sie erwachte aus traumlosem Schlaf, fühlte neben sich die schmale Hand Katrins. Regelmäßige Atemzüge verrieten, dass auch sie erschöpft eingeschlafen sein musste. Sie schob die Hand weg, ergriff den Wecker und versuchte die Uhrzeit zu erkennen - noch keine sechs Uhr morgens. Sie horchte in sich hinein, ihr noch immer wunderbarer Körper fühlte sich trotz der neununddreißig Jahre, die sie immerhin schon zählte, entspannt, aber dennoch kräftig, fest und trainiert an.
Plötzlich störte sie das Mädchen an ihrer Seite, sie sollte weggehen - noch vor dem Frühstück! Innig umfasste sie den Dodekaeder und fokussierte ihren Wunsch, dann stahl sie sich langsam aus dem Bett, griff zu den immer bereit liegenden Trainingssachen, glitt in die Laufschuhe und verließ leise ihre Wohnung. Vor der Haustür schlug sie die Kapuze über den Kopf, denn es schneite noch immer ein wenig, und begann ihre allmorgendliche Zehnkilometerrunde zu laufen.
Als sie vierzig Minuten später zurückkehrte, war Katrin wunschgemäß verschwunden. Sie war darüber erleichtert, denn so hinreißend schön deren Körper und der betörende Duft der jungen Haut auch waren - nach dem Sex wollte sie allein und ungestört sein, wollte ihren beflügelten Fantasien ungestört nachgehen können, denn dann hatte sie oft die besten Einfälle.
Auch heute hatte sie ihren Gedanken schon während des Trainings freien Lauf gelassen. Dabei war es um die Dodekaederkräfte gegangen, die sie seit Monaten beschäftigten. Sie liebte kunstvolle Goldschmiedarbeiten. Deshalb war ihr der Talisman wenige Tage vor der Transformation in einem Antiquitätenladen aufgefallen, und sie hatte ihn gekauft. Zunächst war ihr Auge von der Öse aus Gold in der kunstvollen Form einer Lotusblüte mehr fasziniert als von der sonderbaren Form des Quarzes, auf dem die Lotusblüte exakt mittig saß. Schon beim ersten
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