ZEITLOS - Band 3 (German Edition)
Stadtstrukturen weniger, denn es fehlte mindestens ein Drittel der Gebäude, die vorher die Straßen gesäumt hatten. Als sie am Kreiskrankenhaus vorbeikamen und unter ihnen das Windebyer Noor das Licht der neuen Sonne eigenartig reflektierte, sahen sie, dass auch die gesamten Gebäude, alte wie neue, der einstigen Kasernenansiedlung, die ein Raketenabwehr-Bataillon beherbergt hatte, verschwunden waren. Stattdessen erblickten sie dort nun gelbe Wiesenflächen, die nur durch einen nach Norden hin schroff abfallenden Abhang oder Geländebruch gekennzeichnet waren.
Diese Bruchkante, die der Wohnsiedlung Grasholz gegenüber inmitten der Wiese lag, sah aus wie ein Steilküstenabhang von guten zwanzig Metern Höhe. Der Blick fiel an dem Hang vorbei auf das dahinter liegende Gewässer des Noors und aus diesem Blickwinkel direkt auf den seit Jahrtausenden dort im Wasser ruhenden Weißen Fels, einem Riesenfindling aus rötlichem Granit von gut achtundvierzig Tonnen Gewicht. Dieser Stein, der gewöhnlich als dunkler Punkt mit seinem oberen Drittel über die Wasseroberfläche herausragte, glitzerte nun wie ein Smaragd in allen Facetten des sich darin brechenden Sonnenlichts.
Ihr Haus lag unverändert, aber wo war das Haus von Lemming abgeblieben? Gelbe Gräser wuchsen nun auf dem Naturgrundstück, und ebenso wie dort klafften Lücken zwischen den einst dicht an dicht stehenden Ein- und Zwei-Familienhäusern. Markus` Ich wollte sich darüber wundern, wurde jedoch zugleich von einem anderen Teil seiner Persönlichkeit beruhigt, der genau zu wissen schien, warum das alles so und nicht anders war.
Verwirrt über diese in ihm streitenden Gedankenassoziationen, schloss er die Haustür auf. Erst als sie vereint im Wohnzimmer um den Tisch versammelt saßen und jeder ein Glas Wasser vor sich stehen hatte, drängte es auch die anderen nach Fragen und Gedankenaustausch. Birte versuchte, ihre Verwirrung mit saloppem Spruch zu überspielen: »Kinder, Kinder, nun sagt bloß, sollen das nun der Neue Himmel und die Neue Erde sein? Die hatte ich mir aber irgendwie aufregender vorgestellt.«
Kerstin sah ihr ernst in die Augen, alle um den Tisch Versammelten hörten sie in ihren Köpfen antworten >Birte, hör auf damit, so zu tun, als sei alles ganz unspektakulär! Das suggeriert dir nur dein im Augenblick noch überforderter Geist. Wir sollten uns gemeinsam daran machen, die letzten Stunden zu rekapitulieren, um dann zu entscheiden, wie das alles weitergehen soll.<
Und, als sei das plötzlich selbstverständlich, antwortete nun Lars mittels Kopf-zu-Kopf-Stimme: >Ich fasse mal zusammen, wie es mir bisher ergangen ist und wie sich mir die Dinge darstellen. Danach können wir ja darüber diskutieren.< Die anderen waren einverstanden, und so begann er die Stunden Revue passieren zu lassen.
Markus folgte den Ausführungen erstaunt, denn er hatte es selbst ganz genau so erlebt und auf seltsame Weise auch ebenso interpretiert wie der Freund. > ... und deshalb ist für mich völlig klar, dass die uralten Prophezeiungen der Mayas tatsächlich eingetreten sind und wir uns nun in einer höher schwingenden Realität befinden. Ich bin kein Farbexperte, aber die veränderten Farben unserer Umgebung scheinen mir auf eine Schwingungsverschiebung hinzudeuten, und dass wir jetzt dieses neuartige Sonnenlicht, das wir Sinta nennen, sehen können, deutet meiner bescheidenen Meinung nach ebenfalls in diese Richtung. Wahrscheinlich liegt der Sinta-Frequenzgang am oberen Ende der Regenbogenfarben im Anschluss an deren indigofarbenen Rand. Diese Farbveränderungen spiegeln wider, dass unsere Augen und unser Gehirn jetzt mehr Schwingungen wahrnehmen und verarbeiten können als bisher.
Ich vermute, dass dieses Wahrnehmungsvermögen nicht nur auf unser Sehen beschränkt ist, sondern wir wahrscheinlich auch mit unseren anderen Sinnen neue Erfahrungen machen werden. Denkt nur daran, wie leicht es uns nun möglich ist, per innerer Stimme miteinander zu reden.< Kerstin nickte zustimmend. >Ja, und wir haben auch erfahren, dass das sintafarbene Sonnenlicht Träger von Informationen ist. Mir kam es vor, als würde mit dem ersten Lichtstrahl ein riesiges Füllhorn an intuitivem Wissen über uns ausgeschüttet.<
Simon räusperte sich. »Dazu fällt mir spontan ein ...«, seine Sprechstimme klang plötzlich für alle Ohren überlaut, völlig fremd, ganz anders als die wesentlich feinere innere Stimme. Überrascht unterbrach er
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