ZEITLOS - Band 3 (German Edition)
Führern an, bei denen er seine Kenntnisse mehr und mehr vertiefte.
Nicht mehr lange, und er werde die stärkste Anwendung von Yaje kennen lernen, so hatte es ihn Medizinmann Red Falcon vom Stamm der Huawakos wissen lassen.
Soviel hatte Plätschner schon herausgefunden: Mit Hilfe der starken Anwendung ließen sich Reisen außerhalb des Raum-/Zeitkontinuums unternehmen. Der mit Yaje Reisende konnte somit in Vergangenheit und Zukunft blicken.
Red Falcon überraschte ihn. Eine Botin suchte Plätschner in Valledupar auf und überbrachte ihm die Nachricht des Medizinmannes, dass die Zeichen für die geplante Yaje-Zeremonie nun günstig stünden. Er solle sich in drei Tagen bei den Huawakos einfinden, denn dann begännen die Läuterungsrituale. Bis dahin solle er strenge Diät halten und lediglich Wasser trinken und sich auch sexuell enthalten, wie ihm die Botin augenzwinkernd wissen ließ. Er solle für die Zeremonie sein bestes Gewand, möglichst aus Pima-Baumwolle, mitbringen.
Das war alles. Die Botin verschwand so plötzlich, wie sie gekommen war, im Gewühl der Menschen um ihn herum. Plätschner saß im Schatten einer überdachten Café-Terrasse und blickte auf die Notiz mit den Diätanweisungen in seinen Händen.
***
Alles war sehr feierlich. Die Teilnehmer an der Zeremonie schienen aufgekratzt und bester Stimmung zu sein. Schon am ersten Abend nach Plätschners Ankunft bei den Huawakos fanden die ersten Zeremonien statt.
Das Eröffnungsritual begann in den frühen Abendstunden. Auf dem Ritualplatz des Stammes brannten mehrere Feuer im Kreis. Über dem Zentralfeuer, das eingebettet in einem Sechseck aus Steinen loderte, hing ein Kessel an einem stählernen Dreibein. Daneben lagen auf Tüchern zwei Pflanzenhaufen, aufgeschüttet aus Caapi-Lianen und Blättern des Chakruna-Strauches.
Red Falcon trat in vollem Ritualornat auf. Geschäftigkeit und lebhaftes Schwatzen und Lachen lag noch in der Luft, je dunkler und kühler es jedoch wurde, desto mehr legte sich die Stimmung, verwandelte sich langsam in erwartungsvolle Vorfreude.
Red Falcon saß mit überkreuzten Beinen auf einem Holz-Podest und blickte unverwandt nach Osten. Die Nacht senkte sich auf die Versammelten herab. Nur das leise Wehen des in diesen Höhen immer vorhandenen Windes, der an den Condorfedern von Red Falcons Kopfputz zupfte, war zu hören.
Plätschner, im Kreis der feierlich Versammelten, die sich nun zwischen Zentralfeuer und äußerem Feuerkreis aufstellten, beobachtete gespannt die Szene.
Ein einsamer Ton wurde hörbar. Er entstand so zart, dass man hätte glauben können, der Wind trüge ihn von weit her über die Berge heran. Dem war aber nicht so. Der Ton stand still in der Luft, erzeugte eine Vorstellung von einer senkrecht in den Himmel weisenden, tönernen Stehle. Langsam schwoll er an, ohne je durch Atmen unterbrochen zu werden. Der oder die Verursacherin, die ihn hervorbrachte, war nicht auszumachen, schien niemals Luft holen zu müssen. Plätschner sträubten sich die Nackenhaare - dieser Ton war von einer Energiedichte, dass man glauben konnte, er sei nicht nur Klang, sondern stünde metallen wie eine Orgelpfeife zwischen ihnen.
In Plätschner rief er ein Bild hervor, das dem Rüssel eines Tornados ähnelte. Nur, dass dieser Rüssel die Tonsäule war, die dem Himmel entgegenstrebte und dort kraftvolle Energiefelder zu erreichen trachtete. Dieser Ton beschwor die Geister, das war ihm augenblicklich klar.
Der Ton schluckte jedes Gefühl für Zeit. War er bereits einige Minuten hörbar oder schon viel länger? Wie auf ein geheimes Zeichen hin sahen nun alle in die Richtung, in die Red Falcon unverwandt blickte. Über den Zinnen der fernen Gebirgskette wurde es zunehmend heller, nun tauchte der obere Rand der Mondscheibe als Silberpunkt zwischen zwei Berggipfeln auf. Mama Killa war da! Die Mondgöttin, der Sage nach die Frau des Sonnengottes Inti, sandte ihre silbernen Strahlen.
Das war offensichtlich das Zeichen, auf das der Häuptling wartete. Red Falcon erhob sich von seinem Podest mit müheloser Leichtigkeit. Ohne die Arme zu Hilfe nehmen zu müssen, schraubte er sich aus dem Sitzen senkrecht empor und ging Mama Killa singend entgegen. Mit feierlicher Würde hieß er die Göttin willkommen, seine ausgebreiteten Arme schienen ihr Silberkleid auffangen und das Licht einsammeln zu wollen.
Gleichzeitig wechselte der stehende Ton. Er fächerte sich in
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