ZEITLOS (German Edition)
Kerstin ein. »Henning kann nicht manipuliert haben. Ich weiß, dass er die Probe dort hineingestellt hatte und mir danach den Schlüssel für die Bücherei übergab. In der Zwischenzeit konnte niemand rein. Das weiß ich genau. Und bei dieser Probe, habe ich unter dem Boden einen kleinen Farbklecks mit Filzer gemacht, damit niemand das Glas austauscht. Sie hob es hoch und zeigte die Markierung. Also, das wird schon mit rechten Dingen zugegangen sein. Ich schlage vor, wir beginnen jetzt endlich mit unserer Gesangsprobe, wir sind schon zehn Minuten zu spät dran. Jetzt wisst ihr ja, welche Kraft in unserem Chorgesang liegt; wir stoppen damit sogar Fäulnisprozesse. Henning, sei nicht faul – fang an!«
Damit war der Bann zunächst einmal gebrochen, doch Birte wurde ihr leichtes Unbehagen und ihre Irritation nicht los. Über eine Sache zu lesen ist eben nicht das Gleiche wie sie selbst zu erleben.
Als sie heimkam, fand sie Markus in seinem Lieblingssessel beim Lesen. neben ihm lagen mehrere Bücher aus denen gelbe Haftnotizen herausschauten. Das sah auf den ersten Blick nach Arbeit aus, sie bemühte sich, ihn nicht zu stören. Auf seinem Schoß lag ein Notizblock, in dem er schon reichlich Notizen vermerkt hatte. Leise setzte sie sich neben Markus.
Er schien sie kaum zu bemerken, so vertieft war er in seine Lektüre, schrieb etwas, nahm sich ein anderes Buch aus dem Stapel, verglich, runzelte die Stirn und schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf. Birte sah genauer hin und stutzte, denn das war ganz und gar nicht die Sorte Bücher, die er sonst üblicherweise verschlang.
Zu ihrer grenzenlosen Verblüffung sah sie in dem Bücherstapel mehrere Romane liegen, die er studierte.
»Was machst du?«
»Oh, ich bin völlig fasziniert. Seitdem du mir die Bücher von Kerstin gegeben hast, geht mir das Thema mit den Gedankenkräften nicht aus dem Sinn. Ich hatte letzte Woche auf meiner Arbeit ein seltsames Erlebnis mit meinem Computer und irgendwie erinnerte mich etwas an eine Passage aus den Aborigines-Büchern, über das gedankliche Hineinfühlen, das die Autorin grooken nennt. Ich muss dir davon erzählen, das glaubst du nicht…«
Birte hörte aufmerksam zu und fragte sich die ganze Zeit, ob das nun Zufall war oder auch eine Form von Gedankenkräften, dass sie beide sich gerade jetzt mit demselben Thema befassten? Als er endete, berichtete sie ihm von dem Reiseexperiment, was ihn noch mehr zu verblüffen schien. »Sag mal, Birte, fangen wir jetzt schon an zu spinnen? Sehen wir Gespenster oder hältst du das wirklich für möglich?«
»Nun ja, ich hab darüber noch nie richtig nachgedacht, aber das mit dem Reis, ich sage dir, wenn du das gesehen hättest… ich hab richtig eine Gänsehaut bekommen. Auf der Fahrt nach Hause sind mir plötzlich viele Beispiele in den Sinn gekommen, wo wir solche Erfahrungen tagtäglich machen und die uns vertrauter sind, als ich bisher dachte. Denk doch mal an das Besprechen von Warzen und Gürtelrosen, oder, dass du an einen bestimmten Menschen denkst, und plötzlich klingelt das Telefon, und genau dieser Mensch ruft dich an. Ich musste auch an Vogel- und Fischschwärme denken, die zeitgleiche Bewegungen ausführen, so, als ob sie im Schwarm plötzlich eine Art von kollektivem Überbewusstsein haben, der sie wie ein gemeinsamer Organismus handeln läst, und letztlich – denk an unseren Körper, der sich aus Milliarden von selbständigen Zellen zusammensetzt, die ebenfalls im Verbund einen einzigen Organismus bilden. Da fragt man sich doch, wie das möglich sein kann das?«
»Das sind ja tolle Beispiele. Fallen dir noch mehr ein?«
»Lass mich mal nachdenken. Ja, den Grünen Finger der Gärtner hatten wir schon, dann fällt mir ein, dass mich mein Heilpraktiker einmal mit Reiki behandelt hatte, weißt du noch, als ich solche Probleme mit dem Knie hatte? Da spürte ich, wie mein Knie unter seinen Händen ganz heiß wurde, obwohl er mich nicht berührte. Und dann unsere gemeinsamen Erlebnisse; einer von uns denkt an ein bestimmtes Ereignis oder eine Person, ohne dass darüber zuvor gesprochen wurde, und plötzlich nimmt der andere genau dieses Thema auf, wobei wir immer sagen, das ist Telepathie. Erinnerst du dich, dass Edelgard immer behauptet, sie könne nur dann Sahne steif schlagen, wenn sie vorher eine Minute meditiert und das große Omm herauf beschwört?«
Markus schrieb eifrig mit. »Na, bei Edelgard ist das ja auch kein Wunder, sie versprüht immer eine solche
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