Zeitoun (German Edition)
vom Dach und paddelte davon.
Als er im Claiborne-Haus ankam, saßen Todd und Nasser auf der Veranda beim Frühstück. Er ging rein und rief Kathy an.
»Die Cops bringen sich selbst um«, sagte sie.
Zwei Beamte hatten den Sturm und seine Folgen offenbar nicht verwunden und sich das Leben genommen. Sergeant Paul Accardo, ein bekannter Sprecher der Polizei, war in seinem Streifenwagen im nahe gelegenen Luling aufgefunden worden. Er hatte sich erschossen. Officer Lawrence Celestine hatte am Freitag vor den Augen eines anderen Polizeibeamten Selbstmord begangen.
Das erschütterte Zeitoun zutiefst. Er hatte immer ein gutes Verhältnis zur Polizei der Stadt gehabt. Er kannte das Gesicht von Sergeant Accardo gut; der Mann war häufiger im Fernsehen gewesen und hatte immer einen vernünftigen und besonnenen Eindruck gemacht.
Kathy sprach von den Plündererbanden, den giftigen Chemikalien, den Krankheiten, die allmählich auftraten und um sich griffen. Wieder versuchte sie, ihren Mann zu überreden, die Stadt zu verlassen.
»Ich ruf dich später wieder an«, sagte er.
Walts Mann Rob rief Kathy an, um zu erfahren, wie es den Zeitouns ging, wo sie Unterschlupf gefunden hatten und ob sie vielleicht Hilfe brauchten. Er war fassungslos, als Kathy ihm erzählte, dass Zeitoun immer noch in der Stadt war.
»Was macht er denn da?«, fragte er.
»Tja, er hat so ein kleines Kanu«, sagte Kathy, »und damit paddelt er in der Stadt rum.« Sie versuchte, möglichst unbekümmert zu klingen.
»Er muss da weg«, sagte Rob.
»Ich weiß«, sagte Kathy. »Das sag ich ihm jeden Tag.«
Im Laufe des Gesprächs erwähnte Rob, dass er und Walt bei der Flucht vor dem Sturm ihre Katze zurückgelassen hatten. Sie hatten noch nach ihr gesucht, aber sie war immer viel draußen und stromerte herum, und sie war nicht im Haus oder in der Nähe gewesen. Jetzt hoffte er, dass Zeitoun vielleicht, falls er mal in ihre Gegend kam, nach dem Tier sehen könnte. Außerdem hatten sie einen Generator in der Garage stehen, den er gern mitnehmen könne, falls er ihn brauchte.
Sie rief in dem Haus auf der Claiborne an. Zeitoun war noch da, er wollte gerade gehen. Kathy erzählte ihm von Robs Bitte, nach seinem Haus zu sehen. Es lag gut drei Meilen entfernt, und um dorthin zu gelangen, würde er das Kanu über den Highway tragen müssen, aber Zeitoun war dankbar für die konkrete Aufgabe. Kathy erwähnte auch den Generator, doch Zeitoun wollte nichts davon wissen. Er hatte am liebsten gar nichts bei sich. Und abgesehen davon, dass er wohl kaum in der Lage wäre, den Generator ins Kanu zu hieven, war es ihm lieber, keine Sachen zu transportieren, die von Wert waren. Er wusste, dass die Polizei Jagd auf Plünderer machte.
Zusammen mit Nasser machte er sich auf den Weg zu Walts und Robs Haus. Der Tag war warm und gleißend hell. Sie beschlossen, unterwegs auch einen Blick auf Nassers Haus zu werfen, also fuhren sie über den Fontainebleau Drive zur Napoleon. Nassers Haus lag an der Napoleon Ecke Galvez Street, und er wollte nachsehen, ob noch irgendetwas zu retten war.
Als sie dort ankamen, stand das Wasser bis unters Dach. Es gab keine Möglichkeit, ins Haus zu kommen, und nichts darin wäre den Versuch noch wert gewesen. Nasser hatte sich auf einen solchen Anblick gefasst gemacht, und es war genauso, wie er erwartet hatte.
»Fahren wir weiter«, sagte er.
Sie nahmen den Jefferson Davis Parkway bis zum Haus von Walt und Rob. Hier stand das Wasser viel niedriger, nur knapp einen halben Meter hoch. Zeitoun stieg aus dem Kanu und ging bis zur Haustür. Das Haus wäre wieder in Ordnung zu bringen. Aber von der Katze war nichts zu sehen. Er überlegte, ob er über den Zaun klettern und hinten im Garten nachsehen sollte, aber damit würde er sich nur verdächtig machen, bei der Polizei und den Nachbarn.
Sie wendeten das Kanu und fuhren wieder. Unterwegs kamen sie an der Post an der Kreuzung Jefferson Davis und Lafitte vorbei, dem Sammelplatz für Evakuierungen. Sie sahen keine Hubschrauber, aber auf dem Parkplatz liefen viele Rettungskräfte herum.
»Willst du raus aus der Stadt?«, wollte Zeitoun von Nasser wissen.
»Heute nicht«, antwortete der.
Abends beteten Zeitoun und Nasser gemeinsam auf dem Dach des Hauses auf der Dart Street und grillten sich dann Hamburger. Die Nacht war schwül und still. Dann und wann war das Klirren von Glas und das Dröhnen tief fliegender Hubschrauber zu hören. Doch alles in allem schien die Stadt ein neues Gleichgewicht
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