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Zeitoun (German Edition)

Zeitoun (German Edition)

Titel: Zeitoun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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fragte der Reporter.
    »Ich kümmere mich ein bisschen um die Häuser von Freunden. Versuche zu helfen«, sagte Zeitoun.
    »Mit wem arbeiten Sie zusammen?«, fragte der Reporter.
    »Mit jedem«, sagte Zeitoun. »Ich arbeite mit jedem zusammen.«
    Als er zurück zur Claiborne kam, keimte in Zeitoun die Hoffnung auf, dass seine Geschwister ihn im Fernsehen sehen könnten. Vielleicht würden sie mitbekommen, was er machte, dass er etwas Gutes bewirkt hatte, indem er in seiner Wahlheimatstadt geblieben war. Die Zeitouns waren stolz, und die zwischen den Geschwistern herrschende Rivalität hatte alle angetrieben, etwas aus sich zu machen. Alle maßen sich stets an Mohammeds Großtaten. Aber damit konnte es keiner von ihnen aufnehmen, keiner von ihnen hatte je etwas Vergleichbares geleistet. Dennoch hatte Zeitoun wieder das Gefühl, dass er vielleicht seiner Bestimmung gefolgt war, dass Gott ihn genau hier hatte haben wollen und ihn nun auf diese Weise prüfte. Also hoffte er, auch wenn es ihm selbst albern vorkam, dass seine Geschwister ihn so sehen würden, auf dem Wasser, wieder in einem Boot, wie er sich nützlich machte, Gott diente.
    Als Zeitoun zum Claiborne-Haus zurückkam, sah er ein blau-weißes Motorboot vor der Veranda vertäut liegen.
    Er trat ins Haus, und da war ein Mann, den er noch nie gesehen hatte.
    »Wer sind Sie?«, fragte Zeitoun.
    »Wer sind Sie?«, fragte der Mann.
    »Das hier ist mein Haus«, sagte Zeitoun.
    Der Mann entschuldigte sich. Er stellte sich vor. Sein Name war Ronnie, und er war eines Tages auf der Suche nach einem funktionierenden Telefon an dem Haus vorbeigekommen. Ihm war aufgefallen, dass die Verteilerbox oberhalb der Wasseroberfläche lag, und er war ins Haus gegangen. Seitdem war er immer mal wieder hergekommen, um seinen Bruder anzurufen, einen Hubschrauberpiloten. Ronnie war ein etwa fünfunddreißigjähriger Weißer, gut eins achtzig groß und neunzig Kilo schwer. Er erzählte Zeitoun, dass er für eine Baumpflegefirma arbeitete.
    Zeitoun fiel kein Grund ein, Ronnie wegzuschicken. Er war froh, überhaupt jemanden in der Stadt zu treffen, der munter und wohlauf war, also ließ er Ronnie bleiben und ging nach oben, um nachzusehen, ob es noch fließendes Wasser gab. Im ersten Stock begegnete er Nasser.
    »Hast du diesen Ronnie schon kennengelernt?«, fragte Zeitoun.
    Das hatte Nasser, und er fand ihn ganz nett. Sie waren beide der Ansicht, dass sie zu mehreren sicherer wären, und außerdem, wenn der Mann gelegentlich das Telefon benutzen wollte, konnten sie ihn ja wohl schlecht daran hindern, mit der Außenwelt zu kommunizieren.
    Absurderweise gab es im Bad tatsächlich noch fließendes Wasser. Zeitoun war gar nicht auf die Idee gekommen, das schon früher zu überprüfen. Es war ein Wunder. Er sagte zu Nasser, dass er jetzt duschen würde.
    »Beeil dich«, sagte Nasser. »Nach dir bin ich dran.«
    Noch nie hatte sich eine Dusche schöner angefühlt. Zeitoun spülte allen Schweiß und Schmutz ab und, wie er vermutete, eine ordentliche Menge Öl und ungeklärte Abwässer. Danach ging er wieder nach unten.
    »Das Bad ist jetzt frei«, sagte er zu Nasser.
    Er griff zum Hörer und rief seinen Bruder in Spanien an. Er wollte sich kurz bei ihm melden, ehe er Kathy anrief.
    Wieder versuchte Ahmad, ihn zum Gehen zu bewegen.
    »Ist dir eigentlich klar, was für Bilder wir hier in den Nachrichten sehen?«, fragte er.
    Zeitoun versicherte ihm, dass er von dem gezeigten Chaos weit entfernt sei. Abgesehen von den bewaffneten Männern an der Shell-Tankstelle hatte Zeitoun in der ganzen Zeit, seit er mit dem Kanu in der Stadt unterwegs war, praktisch keinerlei Gefahrensituationen erlebt.
    »Hör mal«, sagte er aufgeregt. »Könnte sein, dass ich ins Fernsehen komme. Vorhin hat mich jemand interviewt. Achte drauf. Und sag es Kathy.«
    Ahmad seufzte. »Du willst also bleiben.«
    »Noch ein bisschen.«
    Ahmad verzichtete darauf, ihn weiter zu bedrängen. Aber er rief seinem Bruder doch noch in Erinnerung, dass Gefahren überall lauern konnten, auch wenn er sich jetzt sicher fühlte. Es waren bewaffnete Plündererbanden unterwegs, sagte er. In den Medien war laufend die Rede davon, dass in New Orleans Zustände wie im Wilden Westen herrschten. Ahmad fühlte sich hilflos, und das Gefühl war ihm zuwider. Er wusste, dass sein kleiner Bruder ihn für übervorsichtig hielt. »Würdest du bitte wenigstens deiner wunderbaren Familie zuliebe in Erwägung ziehen, die Stadt zu verlassen, ehe dir noch etwas

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