Zeitreise in Technicolor
aber es gibt nun mal keines. Es handelt sich lediglich um eine neue Arbeitsmethode, und die geleistete Arbeit muß ebenso wie früher bezahlt werden.«
Das Telefon unterbrach das Gespräch. L. M. nahm den Hörer ab. Eine Zeitlang horchte er schweigend zu, dann stieß er eine Serie von einsilbigen Grunzlauten aus und legte auf.
»Ruf Hawk ist nach hierher unterwegs«, sagte L. M. »Vielleicht können wir ihn für die Titelrolle gebrauchen, aber ich habe das Gefühl, daß er noch unter Vertrag steht. Barney, horchen Sie ihn aus, bevor sein Agent herkommt. So – und was diese eine Stunde betrifft ...«
»Bitte, sprechen wir später über diese eine Stunde, L. M. Es wird sich alles klären.«
Ruf Hawk kam herein. Er blieb einen Moment in der Tür stehen und wandte ihnen sein Profil zu, um zu zeigen, wie gut er aussah. Er sah gut aus. Er sah gut aus, weil sein einziges Interesse seinem Aussehen galt. In zahllosen Kinos auf der ganzen Welt schlugen Frauenherzen schneller, wenn Ruf ein glückliches Starlet in die männlichen Arme schloß. Aber diese vielen, vielen Frauen hatten keine Ahnung, daß ihre Chance, einmal von Ruf in die Arme geschlossen zu werden, gleich Null war. Ruf mochte Frauen nicht. Nicht daß er abnorm veranlagt war, das nicht. Er mochte auch Männer nicht. Er mochte keine Schafe, Regenmäntel, Peitschen, etc. Ruf mochte nur Ruf, und der Glanz der Liebe in seinen Augen war nichts anderes als das Widerspiegeln einer narzißhaften Eigenliebe. Er war einer von vielen Strand-Muskelprotzen gewesen, bis man entdeckte, daß er schauspielern konnte. Das heißt, richtig schauspielern konnte er nicht, aber man hatte herausgebracht, daß er genau das tat, was man ihm sagte. Er wiederholte mit Ochsengeduld immer wieder die gleichen Gesten und Worte, bis er sie beherrschte. Zwischendurch munterte er sich durch einen Blick in den Spiegel auf. Seine Unfähigkeit war nie entdeckt worden, denn immer, bevor jemand merkte, wie schlecht er spielte, griffen die Indianer an, oder es erfolgte eine Dinosaurier-Stampede, oder die Mauern Trojas stürzten ein. Deshalb war Ruf glücklich, und auch die Produzenten waren glücklich, wenn sie die Einnahmen zählten. Man war sich darüber einig, daß man Ruf noch lange einsetzen konnte, bevor das Publikum hinter den Schwindel kam.
»Hallo, Ruf«, sagte Barney, »genau der Mann, den wir brauchen.«
Ruf hob die Hand und lächelte. Er sprach nur, wenn er zum Reden aufgefordert wurde.
»Reden wir nicht lange herum, Ruf, es wird ein Knüller ersten Ranges, und als wir von der Hauptbesetzung sprachen, fiel dein Name. Daraufhin sagte ich: Ein Wikingerfilm ohne Ruf geht nicht. Ruf ist der echteste Wikinger, den man sich vorstellen kann.«
Ruf gab keinerlei Gefühlsregung von sich. »Du hast doch schon von den Wikingern gehört, Ruf, oder?«
Ruf lächelte andeutungsweise.
»Du weißt doch«, fuhr Barney fort, »große Burschen mit Riesenäxten und Hörnern an den Helmen. Sie segelten in Schiffen umher, die geschnitzte Drachenköpfe am Bug hatten ...«
»Ach ja, richtig«, sagte Ruf. Endlich war seine Aufmerksamkeit gefesselt. »Ich habe von den Wikingern gehört. Ich habe noch nie einen Wikinger gespielt.«
»Aber zutiefst im Herzen wolltest du schon immer einen Wikinger spielen, Ruf. Anders kann es gar nicht sein. Die Rolle ist dir auf den Leib geschrieben, du kannst dich richtig hineinknien. Was glaubst du, wie du als Wikinger auf der Leinwand aussehen wirst?«
Die dichten Augenbrauen bewegten sich aufeinander zu. »Ich sehe auf der Leinwand immer gut aus.«
»Natürlich, Ruf, deshalb haben wir dich ja kommen lassen. Du hast doch im Moment keine anderen wichtigen Engagements, oder?«
Rufs Augenbrauen trafen sich, ein Zeichen, daß er angestrengt nachdachte. »Ende nächster Woche fange ich mit einem Film an. Etwas über Atlantis.«
L. M. Greenspan sah vom Drehbuch auf und runzelte die Stirn ebenso wie Ruf. »Dachte ich mir. Schöne Grüße an Ihren Agenten, Ruf, aber wir müssen uns jemand anders suchen.«
»L. M.«, sagte Barney, »lesen Sie das Drehbuch. Es wird Ihnen Spaß machen. Ich rede mit Ruf. Sie haben vergessen, daß der Film bis Montag fertig ist. Da kann sich Ruf noch ein paar Tage bis zu seinem nächsten Termin entspannen.«
»Ich bin froh, daß Sie das Drehbuch erwähnen. Es enthält ein paar grobe Fehler.«
»Woher wissen Sie das – Sie haben doch erst zehn Seiten gelesen? Lesen Sie weiter, dann sprechen wir darüber. Der Autor sitzt draußen. Er macht
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