Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Titel: Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
Vom Netzwerk:
klopfte ihrem Mann aufs Knie.
    »Henry! Sieh mal, wer da ist! Ian ist zu Besuch. Ist das nicht nett?«
    »Er wird jetzt bei uns wohnen«, erwiderte der Onkel geduldig.
    »Ach?«, sagte sie verwirrt. »Aha. Wo ist denn deine hübsche Frau, Ian? Wo ist Angela?«
    »Sarah«, korrigierte er automatisch. »Sie ist in London geblieben.«
    »Hmm. Hübsches Mädchen, aber flatterhaft. Trinken wir etwas Tee!« Sie nahm die Decke von den Beinen.
    Roland hob sie auf ihren Stuhl nahe der Teekanne. Sie setzten sich alle um den Tisch. Roland war ein kräftiger Mann mit langsamen Bewegungen. Er war schon zwei Jahrzehnte bei der Familie.
    »Sieh mal, Roland, Ian ist da. Er besucht uns.« Peterson seufzte. Seine Tante war schon seit Jahren senil; nur ihr Mann und Roland waren zu zusammenhängenden Gedanken fähig.
    »Ian ist gekommen, um bei uns zu wohnen«, wiederholte sein Onkel.
    »Wo sind die Kinder?«, fragte sie. »Sie haben sich verspätet.«
    Keiner erinnerte sie daran, dass ihre beiden Söhne vor fünfzehn Jahren bei einem Schiffsunglück ertrunken waren. Geduldig warteten sie darauf, dass das tägliche Ritual seinen Fortlauf nahm.
    »Na gut, wir warten nicht auf sie.« Sie nahm die schwere Teekanne und goss den starken, dampfenden Tee in die blau-weiß gestreiften Tassen.
    Schweigend aßen sie. Draußen setzte der Regen ein, der sich schon den ganzen Tag angekündigt hatte; erst zögernd, dann dichter. In der Ferne muhten die Kühe klagend, die vom Trommeln des Regens auf dem Stalldach aufgeschreckt wurden.
    »Es regnet«, sagte sein Onkel.
    Niemand antwortete. Er mochte ihr Schweigen. Und wenn sie sprachen, war ihr ostenglischer Dialekt wie Balsam in seinen Ohren. Sie sprachen langsam und beruhigend. Sein Kindermädchen war eine Frau aus Suffolk gewesen.
    Er trank seinen Tee aus und ging in die Bibliothek. Zuerst griff er nach der Karaffe aus geschliffenem Glas, verzichtete dann aber auf einen Drink. Das stete Geräusch des Regens wurde von den schweren Eichenschlagläden gedämpft. Sie waren solide gebaut, mit einer verborgenen Stahlplatte im Holz. Er hatte das Haus zu einer Festung verwandelt, es konnte eine längere Belagerung überstehen. Die Kuhställe und die Scheune hatten doppeltes Mauerwerk und waren durch Tunnel mit dem Haus verbunden. Alle Türen waren von doppelter Stärke und mit schweren Riegeln versehen. Jedes Zimmer war eine kleine Waffenkammer. Er strich über ein Gewehr an der Wand, überprüfte die Patronenkammer; geölt und geladen, wie er es angeordnet hatte.
    Er nahm eine Zigarre und ließ sich in seinen ledernen Armsessel fallen. Dann griff er zu einem bereitliegenden Buch, einem Maugham. Er begann zu lesen. Roland kam herein und entfachte ein Feuer. Das laute Knistern nahm der Kälte in dem Zimmer die Schärfe. Es würde noch Zeit genug sein, die Vorräte in Augenschein zu nehmen und einen Nahrungsplan aufzustellen. Kein Wasser von draußen, jedenfalls für eine Weile nicht. Keine Ausflüge ins Dorf mehr. Er machte es sich in dem Sessel bequem; zwar gab es noch einiges zu tun, aber im Moment fühlte er sich nicht dafür aufgelegt. Seine Glieder schmerzten, und immer noch überfiel ihn plötzliche Schwäche. Hier war er immer noch Peterson von Peters Manor; dieses Gefühl ließ er auf sich einwirken, es verschaffte ihm eine innere Ruhe. War es Russell, der gesagt hatte, niemand würde sich fern seiner Kindheitsumgebung wirklich wohl fühlen? Darin lag einige Wahrheit. Aber der Mann aus dem Dorf, gerade jetzt … Peterson runzelte die Stirn. Den Speck konnten sie nicht mehr nehmen, alles würde von dem Stoff aus den Wolken verdorben sein, zumindest eine Zeit lang. Der Dörfler wusste das wahrscheinlich. Und unter seinem Jawohl-Mylord-Benehmen verbarg sich eine eindeutige Drohung. Er war gekommen, um Sicherheit zu verkaufen, nicht Speck. Sollten sie einige Konserven bekommen, und alles wäre in Ordnung.
    Unruhig rutschte Peterson in dem Sessel. Sein ganzes Leben war er in Bewegung gewesen, dachte er. Er hatte die Rolle des Landadels verlassen, war nach Cambridge gegangen, dann in die Regierung. Er hatte sich jede Stufe zunutze gemacht, um weiterzukommen. Sarah, nahm er an, war der eindeutigste Fall, den Weltrat selbst nicht zu vergessen. Sie alle hatten geholfen. Die Regierung selbst hatte natürlich im Wesentlichen die gleiche Strategie verfolgt. Moderne Ökonomie und der Wohlfahrtsstaat borgten in zunehmendem Maße von der Zukunft.
    Jetzt war er an einem Ort, den er nicht verlassen konnte. Er musste

Weitere Kostenlose Bücher