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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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war ich überwältigt von der selbstlosen Hingabe dieser paar Überlebenden, mit der sie sich umeinander kümmerten. Nun, da wir quasi zu den Ursprüngen zurückgekehrt waren – zu schlichtem menschlichen Leiden – hatten sich die Gegensätze von Klasse, Rasse, Glauben und Rang, die ich vor dem Bombenangriff bei diesem Expeditionskorps registriert hatte, in Luft aufgelöst.
    Solcherart offenbarte sich mir, wenn ich mir den nüchternen Standpunkt eines Morlocks zu eigen machte, dieser widersprüchliche Komplex aus Stärken und
    Schwächen, der die Natur meiner Spezies konstituierte! Die Menschen sind zum einen brutaler und gleichzeitig in mancherlei Hinsicht noch engelhafter, als ich aufgrund der seichten Erfahrungen meiner ersten vier Lebensjahrzehnte angenommen hatte.
    »Es ist etwas spät«, konzedierte ich, »solche profunden Einsichten in die Spezies zu erhalten, mit der ich seit über vierzig Jahren den Planeten teile. Aber besser spät als nie. Ich glaube jetzt, daß, wenn die Menschheit jemals Frieden und Stabilität erringen will – zumindest, bevor sie sich zu etwas Neuem entwickelt, z. B. zu Morlocks –, die Einheit der Rasse an der Basis beginnen muß: indem auf dem soli-desten Fundament – dem einzigen Fundament – die instinktive Hilfsbereitschaft der Menschen untereinander entwickelt wird.« Ich schaute Nebogipfel an. »Siehst du, worauf ich hinaus will? Glaubst du, daß in dem, was ich sage, überhaupt ein Sinn liegt?«
    Doch der Morlock reagierte weder zustimmend noch ablehnend auf diese jüngsten Überlegungen. Er erwiderte einfach meinen Blick: ruhig, kritisch, prüfend.
    Die Strahlenkrankheit forderte drei weitere Opfer.
    Andere zeigten zwar einige Symptome – Hilary Bond z. B. litt an gravierendem Haarausfall –, überlebten aber; und manche, sogar ein Mann, der dem Ort der Explosion am nächsten gewesen war, zeigte überhaupt keine Symptome einer Erkrankung. Aber Nebogipfel wies mich dann darauf hin, daß die vom Carolinum
    ausgehende Gefahr damit noch lange nicht gebannt war; denn andere Krankheiten
    – Krebs und sonstige Unbilden – könnten später noch jeden von uns ereilen.
    Hilary Bond war der ranghöchste überlebende Offizier; und sobald sie in der La-ge war, sich auf ihrer Pritsche aufzurichten, übernahm sie ruhig und bestimmt das Kommando. Eine natürliche militärische Disziplin begann sich innerhalb der
    Gruppe zu etablieren – natürlich nur mit sehr einfachen Strukturen, da bloß dreizehn Angehörige des Expeditionskorps überlebt hatten – und ich glaube, daß die Wiedererrichtung dieser vertrauten Strukturen den Soldaten, vor allem den jüngeren, einen großen Halt gab. Andererseits konnte diese militärische Ordnung natürlich keinen Bestand haben. Wenn unsere Kolonie gedieh, wuchs und über diese
    Generation hinaus überlebte, wäre ein militärisch geprägter Dienstweg weder wün-schenswert noch sinnvoll. Aber fürs erste, befand ich, ging es wohl nicht anders.
    Die meisten dieser Soldaten hatten Ehepartner, Eltern, Freunde – sogar Kinder –
    ›zuhause‹, im zwanzigsten Jahrhundert. Nun mußten sie sich mit der Tatsache arrangieren, daß niemand von uns heimkehren würde – und, als ihre restliche Ausrü-
    stung in der Feuchtigkeit des Dschungels zerfiel, gelangten die Soldaten zu der Erkenntnis, daß ihr zukünftiges Überleben nur von ihrer eigenen Arbeit, Erfin-dungsgabe und gemeinschaftlichen Hilfe abhing.
    Nebogipfel, der sich noch immer Sorgen wegen der Strahlungsemissionen
    machte, bestand darauf, daß wir weiter am Strand entlang ein befestigtes Lager errichteten. Wir schickten Erkundungstrupps aus und setzten dazu auch unser Motorfahrzeug ein, solange das Benzin reichte. Schließlich entschieden wir uns für das Delta eines breiten Flusses, das sich etwa fünf Meilen südwestlich vom Basislager der Expedition befand – es lag in der Nähe von Surbiton, glaube ich. Die von unserem Fluß durchzogene Ebene würde fruchtbar sein und gute Bewässerungs-möglichkeiten bieten, falls wir künftig Landwirtschaft betreiben wollten.
    Wir führten den Umzug in mehreren Etappen durch, denn einige der Verwundeten mußten getragen werden. Anfangs nahmen wir das Auto, aber bald ging ihm
    das Benzin aus. Dennoch bestand Nebogipfel darauf, daß wir das Fahrzeug mit—
    nahmen, um sein Gummi, Glas, Metall und andere Materialien zu nutzen; und so zogen und schoben wir das mit Verwundeten sowie unseren Vorräten und Ausrü-
    stungsgegenständen beladene Fahrzeug auf

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