Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
hinsichtlich der Eheschließungen – und meine diesbezügliche Dummheit – sollte bald ihre Rechtfertigung erfahren, denn eines Tages sah ich Stubbins mit zwei jungen Frauen im Arm über den Strand flanieren. Ich grüßte sie alle freundlich – doch erst nachdem sie schon vorbei waren, realisierte ich, daß ich nicht wußte, welche von ihnen nun Stubbins' ›Frau‹ war!
    Ich sprach Hilary darauf an, und hätte schwören können, daß sie ihre Belustigung unterdrückte.
    »Aber«, protestierte ich, »ich habe Stubbins mit Sarah in der Scheune tanzen sehen – aber dann war da in der letzten Woche, als ich ihn morgens aus seiner Hütte rief, dieses andere Mädchen...«
    Jetzt lachte sie und legte ihre vernarbten Hände auf meine Arme. »Mein lieber Freund«, sagte sie, »Sie haben die Weiten des Raums und der Zeit bereist – sie haben viele Male die Geschichte verändert; Sie sind ohne jeden Zweifel ein Genie
    –, aber Sie haben das neunzehnte Jahrhundert nie verlassen.«
    Ich war verlegen. »Wie meinen Sie das?«
    »Denken Sie darüber nach.« Sie fuhr mit der Hand über ihre versengte Kopfhaut, an der noch ein paar Büschel ergrauten Haares hafteten. »Wir sind dreizehn – ohne Ihren Freund Nebogipfel. Und diese Dreizehn besteht aus acht Frauen und fünf Männern.« Sie musterte mich spöttisch »Das ist die Lage. Es gibt keine Insel hinter dem Horizont, von der noch mehr junge Männer kommen und unsere Mädchen
    wegheiraten könnten...
    Wenn wir alle stabile Ehen eingingen – wenn wir eine Monogamie etablieren
    würden, wie Sie vorschlagen –, würde unsere kleine Gesellschaft bald auseinander-fallen. Weil nämlich, wie Sie sehen, acht und fünf nicht hinkommen. Und deshalb glaube ich, daß eine gewisse Lockerheit unserer Arrangements angemessen wäre.
    Zum Besten aller. Meinen Sie nicht auch? Und außerdem ist es auch gut für die
    ›genetische Diversifikation‹, von der uns Nebogipfel immer erzählt.«
    Ich war schockiert; nicht (glaubte ich wenigstens) wegen des moralischen
    Aspekts, sondern wegen der zugrundeliegenden Kalkulation!
    Irritiert wollte ich sie verlassen – und dann fiel mir etwas ein. »Aber – Hilary –
    ich bin doch auch einer von den fünfen, von denen Sie gesprochen haben.«
    »Natürlich.« Plötzlich wurde mir klar, daß sie sich lustig über mich machte.
    »Aber ich habe keine – ich meine, ich habe keine...«
    Sie grinste. »Dann wird es vielleicht Zeit, daß Sie hätten. Sie komplizieren die Dinge nur, wissen Sie!«
    Verwirrt ging ich. Offensichtlich hatte sich die Gesellschaft zwischen 1891 und 1944 auf eine Weise verändert, die ich mir nie hätte träumen lassen!
    Die Errichtung der großen Halle machte gute Fortschritte, und ein paar Monate nach dem Bombenangriff stand der Rohbau. Hilary Bond verkündete, daß anläß-
    lich seiner Fertigstellung ein Gottesdienst stattfinden würde. Nebogipfel sträubte sich zunächst – mit der für einen Morlock charakteristischen Überanalyse konnte er keinen Sinn in einem solchen Akt erkennen – aber ich überzeugte ihn davon, daß in Anbetracht der zukünftigen Beziehungen zwischen den Kolonisten eine
    Beteiligung klug wäre.
    Ich wusch und rasierte mich und machte mich so fein, wie das nur möglich war, wenn eine zerrissene Hose das einzige Kleidungsstück darstellte. Nebogipfel
    kämmte sich und stutzte seine flachsblonde Mähne. Angesichts der Besonderheiten unserer Situation liefen viele Kolonisten jetzt fast nackt herum, wobei die Blöße mit nur wenig mehr als Streifen aus Tuch oder Fell bedeckt wurde. An diesem Tag jedoch legten sie die Überreste ihrer so gut wie möglich gesäuberten und geflickten Uniformen an, und obwohl es eine Parade war, die vor keinem Feldwebel Gnade
    gefunden hätte, waren wir in der Lage, uns mit einer Haltung und Disziplin zu prä-
    sentieren, die ich zumindest bewegend fand.
    Wir stiegen über eine niedrige, schiefe Treppe in das dunkle Innere der Halle.
    Der Boden – wenngleich auch uneben – war fest und gefegt, und das morgendliche Sonnenlicht stach durch die unverglasten Fenster. Ich verspürte sogar Ehrfurcht: trotz der rustikalen Architektur und Konstruktion verströmte dieser Ort eine Aura der Solidität, die Absicht zu bleiben.
    Hilary Bond stand auf einem aus dem Kraftstoffbehälter des Fahrzeugs improvisierten Podest und stützte sich mit einer Hand auf Stubbins' breite Schulter. Ihr zerstörtes, von bizarren Haarbüscheln gekröntes Gesicht strahlte eine schlichte Würde aus.
    Unsere

Weitere Kostenlose Bücher