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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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verdampfte und die Knochen überall verstreut wurden. Und doch blieb der Abdruck auf der Farbe.« Ihre Stimme klang ruhig und emotionslos, aber ihre Augen waren voller Tränen. »Ist das nicht seltsam?«
    Hilary war für eine Weile am Rande des Lagers umhergestolpert. In der Gewiß-
    heit, daß sie dort keine Überlebenden mehr finden würde, kam ihr die vage Idee, nach Vorräten zu suchen. Aber wie sie sagte, hatte sie ihre Gedanken nicht unter Kontrolle, und die Schmerzen wurden wieder so heftig, daß sie sie zu überwältigen drohten; und mit ihren verletzten Händen konnte sie unmöglich auch nur mit einem Hauch von Systematik die verkohlten Trümmer des Lagers durchsuchen.
    So hatte sie sich mit dem Ziel auf den Weg gemacht, das Meer zu erreichen.
    Danach konnte sie sich kaum mehr an ihren stolpernden Marsch durch den
    Dschungel erinnern; er hatte die ganze Nacht gedauert, und doch hatte sie sich kaum von der Explosionsstelle entfernt, so daß sie nach meiner Einschätzung wohl im Kreis gelaufen sein mußte, bis Stubbins und ich sie fanden.
    Überlebende
    Stubbins und ich einigten uns darauf, daß es am besten wäre, Hilary aus dem Wald mit seinen gefährlichen Carolinumemissionen zu unserem Lager am Strand zu
    bringen, wo Nebogipfels überragender Einfallsreichtum vielleicht eine Möglichkeit ersinnen konnte, ihr mehr Bequemlichkeit zu verschaffen. Aber es war klar er-sichtlich, daß Hilary nicht mehr die Kraft hatte, noch weiter zu gehen. Also improvisierten wir aus zwei langen, abgebrochenen Ästen und Stubbins' Hemd eine Bahre. Dann hoben wir Hilary auf diese behelfsmäßige Konstruktion, wobei wir auf ihre Brandwunden aufpaßten. Sie schrie auf, als wir sie bewegten, aber als wir sie erst einmal auf der Bahre liegen hatten, ließen die Schmerzen nach.
    Danach marschierten wir durch den Wald zum Strand. Stubbins ging vor mir,
    und bald konnte ich beobachten, wie sich sein nackter, knochiger Rücken mit
    Schweiß und Schmutz überzog. Er stolperte in die verkohlte Düsternis des Waldes, wobei Lianen und niedrige Äste in sein ungeschütztes Gesicht schlugen; aber er beklagte sich nicht und behielt den Griff um die Stangen unserer Bahre bei. Was mich betraf, der ich in Unterhosen entlangtaumelte, war meine Kraft bald erschöpft, und meine ausgepumpten Muskeln begannen heftig zu zittern. Zuweilen schien es mir unmöglich, noch einen Fuß vor den anderen zu setzen oder diese runden Stangen mit meinen klauenartigen Händen festzuhalten. Aber angesichts der unerschütterlichen Geduld des vor mir gehenden Stubbins bemühte ich mich, meine Müdigkeit zu unterdrücken, um mit ihm Schritt zu halten.
    Hilary befand sich in einem Dämmerzustand zwischen Wachen und Bewußtlosigkeit; ihre Glieder zuckten, und genuschelte Schreie kamen über ihre Lippen, wenn Schmerzimpulse durch ihr Nervensystem brandeten.
    Als wir die Küste erreicht hatten, setzten wir Hilary im Schatten des Waldrandes ab, und Stubbins hob ihren Kopf an, stützte ihn mit einer Hand und flößte ihr schluckweise Wasser ein. Stubby war zwar ein Tolpatsch, aber er ging mit einer unbewußten Zartheit und Sensibilität zu Werke, welche die natürlichen Schranken seines Wesens überwanden; ich hatte den Eindruck, daß er sein ganzes Mitgefühl in diese einfachen Handreichungen für Hilary legte. Ich hielt Stubbins für einen durch und durch guten und liebenswerten Mann; und ich hielt ihm zugute, daß seine hingebungsvolle Pflege von Hilary durch nichts außer reines Mitleid motiviert wurde. Aber ich erkannte auch, daß es für den armen Stubbins unerträglich gewesen wäre, überlebt zu haben – nur weil er das Glück gehabt hatte, einen Auftrag außerhalb des Lagers auszuführen –, wenn alle seine Kameraden untergegangen
    waren; und ich wußte, daß er einen Großteil seiner restlichen Tage mit Grübeleien darüber verbringen würde.
    Als wir Hilary nach besten Kräften versorgt hatten, nahmen wir die Bahre wieder auf und marschierten am Strand entlang. Stubbins und mein fast nackter Körper waren mit dem Ruß und der Asche des verbrannten Waldes bedeckt, und mit Hilarys zerstörtem Körper zwischen uns liefen wir durch den festeren, feuchten Sand an der Wasserlinie, dessen kühle, nasse Körner zwischen den Zehen kitzelten, und durch salzige Wellen, die an unsere Schienbeine platschten.
    Als wir unser kleines Lager erreicht hatten, übernahm Nebogipfel das Kommando. Stubbins versuchte sich nützlich zu machen, war Nebogipfel aber nur im Weg, und der

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