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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hatte, fühlte ich mich für Nebogipfels Verwundungen verantwortlich, entweder direkt oder indirekt.
    »Komm schon, Nebogipfel. Das ist doch nicht die erste Eiszeit, die wir erleben –
    die anderen waren viel schlimmer als diese hier – und wir haben sie auch überlebt.
    Wir legen alle paar Sekunden ein Jahrtausend zurück. Wir werden auch das überstehen und schon bald wieder Sonnenlicht sehen.«
    »Du verstehst nicht«, zischte er.
    »Was?«
    »Das ist nicht nur eine Eiszeit. Siehst du das denn nicht? Es ist ein qualitativer Unterschied... die Instabilität...« Er schloß wieder die Augen.
    »Was meinst du damit? Wird das länger dauern als zuvor? Hunderttausend, eine halbe Million Jahre? Wie lange?«
    Aber er antwortete nicht.
    Ich schlug die Arme um den Körper und versuchte mich zu wärmen. Die Kälte
    schlug ihre Klauen tiefer in die Erde, und jedes Jahrhundert wurde die Eisdecke dicker, wie eine langsam steigende Flut. Der Himmel über uns schien sich aufzu-hellen – das Licht des Sonnenbandes war hell und intensiv, offensichtlich jedoch ohne Wärme – und ich vermutete, daß der Schaden, der dieser dünnen, lebens-spendenden Gashülle zugefügt worden war, langsam wieder heilte, wo die Menschen von der Erde verschwunden waren. Diese Orbitalstadt hing noch immer glü-
    hend und unzugänglich am Himmel über dem gefrorenen Land, aber es gab keine
    Spuren von Leben mehr auf der Erde, ganz zu schweigen von Menschen.
    Nach einer Million Jahren begann ich die Wahrheit zu ahnen!
    »Nebogipfel«, sprach ich. »Sie wird nie zu Ende gehen – diese Eiszeit.
    Stimmt's?«
    Er drehte den Kopf und nuschelte etwas.
    »Was?« Ich legte mein Ohr dicht an seinen Mund. »Was hast du gesagt?«
    Er hatte die Augen geschlossen; er war bewußtlos.
    Ich nahm Nebogipfel und hob ihn von der Bank. Dann legte ich ihn auf den
    Holzboden des Zeitfahrzeugs, legte mich neben ihn und preßte meinen Körper gegen den seinen. Es war nicht schrecklich unbequem: der Morlock lag wie ein gefrorenes Stück Fleisch auf meiner Brust und ließ mich nur noch mehr frieren; und außerdem mußte ich meinen unterschwelligen Ekel vor der Spezies der Morlocks unterdrücken. Aber ich ertrug das alles, denn ich hoffte, daß meine Körperwärme ihn etwas länger am Leben erhalten würde. Ich sprach zu ihm und massierte seine Schultern und Oberarme; auf diese Art machte ich weiter, bis er aufwachte, denn ich glaubte, daß er – wenn er weiter bewußtlos geblieben wäre – in diesem Zustand in den Tod hätte abgleiten können.
    »Erzähl mir von dieser klimatischen Instabilität«, verlangte ich.
    Er verdrehte den Kopf und nuschelte: »Was soll das jetzt noch für einen Sinn haben? Deine Freunde, die Neuen Menschen, bringen uns um...«
    »Der Sinn ist der, daß ich gerne wüßte, was mich umbringt.«
    Nach weiteren einschlägigen Überredungsversuchen zeigte sich Nebogipfel endlich gesprächsbereit.
    Er erzählte mir, daß die Erdatmosphäre eine dynamische Angelegenheit sei. Nebogipfel sagte, daß sie zwei natürliche, stabile Zustände annehmen konnte, die beide lebensfeindlich waren, und sie würde das auch tun und aus dem schmalen Band, in dem Leben gedeihen konnte, heraustreten, wenn sie zu stark gestört wurde.
    »Aber das verstehe ich nicht. Wenn die Atmosphäre wirklich eine so instabile Mischung ist, wie du sagst, warum hat sie uns dann über so viele Millionen Jahre am Leben erhalten?«
    Er erklärte mir, daß die Entwicklung der Atmosphäre von den Prozessen des Lebens selbst stark beeinflußt worden war. »Es besteht ein Gleichgewicht – von atmosphärischen Gasen, Temperatur und Druck – das ideal für das Leben ist. Und so trägt das Leben – in großen, unbewußten Zyklen, in die Billiarden emsig arbeiten-der Organismen involviert sind – zur Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichts bei.
    Aber diese Balance ist inhärent instabil. Verstehst du? Sie ist wie ein Bleistift, der auf seiner Spitze balanciert: er wird bei der geringsten Störung sofort umkip-pen.« Er drehte den Kopf. »Wir Morlocks wissen, daß ihr in die Lebenszyklen ein-greift; wir wissen, daß man, wenn die diversen Stabilisierungsmechanismen der Atmosphäre schon beeinträchtigt worden sind, diese zumindest reparieren oder austauschen muß. Wie bedauerlich«, sagte er seufzend, »daß diese Neuen Menschen – deine Helden des Weltraums – diese einfachen Lektionen nicht gelernt hatten!«
    »Erzähl mir etwas über die zwei Stabilitäten, Morlock; es hat nämlich den

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