Zeitschiffe
Schwerindustrie weg von der Erde ohnehin notwendig, wenn das Wirtschaftswachstum der Menschheit gesichert werden soll.«
»Wie das?«
Er öffnete die Hände. »Du erkennst selbst die Verschmutzung der Luft und des Wassers um uns herum. Die Erde verfügt nur über eine beschränkte Kapazität, die industriellen Abfallprodukte zu absorbieren, und irgendwann könnte der Planet deswegen sogar unbewohnbar werden.
Im Orbit hingegen wären dem Wachstum praktisch keine Grenzen gesetzt: denke
dabei nur an die Sphäre, die meine Spezies konstruiert hat.«
Die Orbitalstadt
Die Temperatur stieg mit zunehmender Luftverschmutzung an. Nebogipfels improvisiertes Zeitfahrzeug funktionierte zufriedenstellend, war aber schlecht kalibriert und schaukelte und schüttelte sich. Ich klammerte mich völlig erledigt an der Bank fest, denn die Kombination aus Hitze, der Schaukelei und dem üblichen,
durch die Zeitreise hervorgerufenen Schwindelgefühl verursachte mir starke Übelkeit.
Die um den Äquator verlaufende Orbitalstadt entwickelte sich weiter. Ich sah, daß die zunächst chaotische Konfiguration dieser künstlichen Lichter jetzt bedeutend regelmäßiger war. Nun gab es eine aus sieben oder acht Stationen bestehende Kette, die alle hell strahlten und in gleichmäßigen Abständen um den Globus verteilt waren; ich vermutete, daß hinter dem Horizont noch mehr solcher Stationen positioniert waren, die sich in stetem Umlauf um den Äquator des Planeten befanden. Offensichtlich war die Orbitalstadt in ein neues Entwicklungsstadium eingetreten.
Nun wuchsen dünne Lichtfäden aus den glühenden Stationen und griffen wie zö-
gernde Finger nach der Erde. Die Bewegungen waren gleichförmig und so langsam, daß wir sie mitverfolgen konnten, und ich erkannte, daß ich Zeuge gigantischer Bauprojekte wurde – Projekte, die sich über Tausende von Meilen durch den Raum erstreckten und ganze Jahrtausende umfaßten – und Ehrfurcht überkam mich angesichts der Energie und der Fähigkeiten der Neuen Menschen.
Nach einigen Sekunden tauchten die ersten dieser Lichtfäden unter den nebelverhangenen Horizont. Dann verschwand ein solcher Faden, und die Station, von der er ausgeschickt worden war, wurde wie ein Kerzenlicht in einer Brise ausgelöscht.
Offenbar war der Faden heruntergefallen oder abgerissen, und seine Ankerstation war zerstört worden. Ich betrachtete die bleichen, lautlosen Bilder und fragte mich, welchen immensen Schaden – und wieviele Tote – sie wohl repräsentierten! Nach wenigen Augenblicken füllte jedoch eine neue Station die Lücke in der Äquatori-alkette aus, und ein neuer Faden wurde abgewickelt.
»Ich traue meinen Augen nicht«, sagte ich zu dem Morlock. »Ich habe den Eindruck, daß sie diese Kabel aus dem Weltraum an der Erde befestigen!«
»Diesen Eindruck habe ich auch«, meinte der Morlock. »Wir sind Zeugen der
Konstruktion eines Raum-Aufzuges – einer Verbindung, die zwischen der Erdoberfläche und den Stationen im Orbit eingerichtet wird.«
Ich grinste bei dieser Vorstellung. »Ein Weltraum-Aufzug! Ich würde gerne mal in einem solchen Ding mitfahren: sich über die Wolken erheben und in die majestätische Stille des Raums eintauchen – wenn der Lift aber gläserne Wände hätte, wäre das nur etwas für Schwindelfreie.«
»Wie wahr.«
Jetzt sah ich, daß weitere Lichtkabel zwischen den geostationären Stationen verlegt wurden. Bald waren die glühenden Punkte alle vernetzt, und die Fäden ver-dickten sich zu einem glühenden Band, das so breit und hell wie die Stationen selbst war. Erneut – obwohl ich unsere Zeitreise im Grunde nicht abbrechen wollte
– wünschte ich mir, mehr von dieser großen, weltumspannenden Himmelsstadt
sehen zu können.
Die Entwicklung der Erde selbst verlief in dieser Phase indessen weit unspektakulärer. Vielmehr schien es mir, als ob Alt-London stagnierte oder sogar aufgelas-sen worden wäre. Einige der Gebäude standen bereits so lange, daß sie uns fast fest vorkamen, obwohl sie düster, klotzig und häßlich waren; wohingegen andere zerfielen, ohne ersetzt zu werden. (Dieser Prozeß stellte sich uns als eine mit brutaler Abruptheit auftretende Lückenbildung in der komplexen Skyline dar). Es hatte den Anschein, als ob die Luft noch stickiger und das geduldige Meer noch grauer wür-de, und ich fragte mich, ob die Menschen sich von der verwüsteten Erde zu den Sternen oder in heimeligere Gefilde unter der Erde abgesetzt hatten.
Ich diskutierte diese Optionen
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