Zeitspringer
aber nie länger. Er saß in Appalachia fest, bis die Springerkrise vorüber war.
Quellen kehrte in seine Wohnung zurück und entdeckte, daß er es vernachlässigt hatte, seinen Speisenvorrat zu ergänzen. Da sein Aufenthalt in Appalachia lang zu werden drohte oder sogar von Dauer sein mochte, beschloß er, nachzufüllen. Manchmal bestellte Quellen telefonisch, aber nicht diesmal. Er brachte wieder das Zeichen ›Privat‹ an seiner Tür an und benützte die gewundene Flugrampe hinunter zum Warendepot, um sich für lange Zeit zu versorgen.
Auf dem Weg nach unten fiel ihm ein bleich wirkender Mann in einer weiten roten Tunika auf, der in umgekehrter Richtung die Rampe heraufkam. Quellen erkannte ihn nicht, aber das war nicht verwunderlich; im dichten Gedränge von Appalachia lernte man nie viele Leute kennen, nur eine Handvoll Nachbarn und Verwandte, dazu einige Personen vom Dienstpersonal, wie den Leiter des Warendepots.
Der bleiche Mann starrte Quellen neugierig an. Er schien ihm mit den Augen etwas mitzuteilen. Quellen fühlte sich dabei ausgesprochen unbehaglich. In seinem Beruf hatte er viel über die verschiedenen Arten von Belästigern gelernt, denen man auf den Straßen begegnen mochte. Die gewöhnliche sexuelle Sorte, natürlich, aber auch diejenigen, die sich heranschoben und einen in die Venen stachen, um die süchtig machende Dosis irgendeiner infernalischen Droge (wie Helidon) einzuspritzen, oder die unheimlichen Leute, die einem in der Menge Karzinogene an die Haut quetschten, oder vielleicht die Geheimagenten, die verstohlen eine Molekularsonde in die Haut stachen, welche jedes Wort eines Gesprächs in die Ferne übertrug. Solche Dinge kamen dauernd vor.
»Nehmen und lesen«, murmelte der Bleiche. Er streifte Quellen und stopfte ihm einen zerknüllten Minizettel in die Hand. Quellen konnte nicht ausweichen. Der Fremde hätte in diesem kurzen Augenblick alles mögliche mit ihm machen können; in diesem Augenblick hätte Quellens Knochenkalzium sich in Gallerte verwandeln oder sein Gehirn durch die Nasenlöcher herausrinnen können, all das, um die krankhaften Gelüste eines Rempelmörders zu befriedigen. Aber es hatte den Anschein, daß der Mann wirklich nur eine Art Werbung in Quellens Hand gedrückt hatte. Quellen faltete den Streifen auseinander, nachdem der Mann die Flugrampe hinauf verschwunden war, und las:
ARBEITSLOS?
ZU LANOY
Das war alles. Augenblicklich trat Quellen als KrimSek in Aktion. Wie die meisten Gesetzesübertreter in öffentlichen Ämtern verfolgte er andere Gesetzesbrecher unerbittlich, und Lanoys Flugzettel roch nach Gesetzlosigkeit, nicht nur wegen der beleidigenden Art und Weise, sie von Person zu Person weiterzugeben, sondern auch durch das Angebot selbst. Betrieb Lanoy eine Art Stellenvermittlung? Aber das war Sache des Staates! Quellen fuhr herum, in der Absicht, den rasch entschwindenden bleichen Mann zu verfolgen. Er erhaschte einen letzten Blick auf die weite rote Tunika, dann war der Mann verschwunden. Nach dem Verlassen der Flugrampe konnte er überall hingegangen sein.
›Arbeitslos? Zu Lanoy‹
Quellen fragte sich, wer Lanoy sein und über welches Wundermittel er verfügen mochte. Er nahm sich vor, Leeward oder Brogg darauf anzusetzen.
Quellen verstaute den Streifen sorgfältig in seiner Tasche und betrat den Laden. Die bleigefaßte Tür öffnete sich vor ihm. Waren-Greifroboter huschten zwischen den Regalen dahin, führten Zählungen durch, erledigten Bestellungen. Der kleine Mann mit dem roten Gesicht, der den Laden führte – als Fassade für die Computer natürlich; welche Hausfrau wollte schon mit einem Computer tratschen? –, begrüßte Quellen mit ungewohnter Herzlichkeit.
»Ah, der KrimSek! Wir hatten lange nicht die Ehre, Krim-Sek«, sagte der rundliche Geschäftsmann. »Ich dachte schon, Sie sind umgezogen. Aber das kann nicht sein, oder? Sie hätten mich verständigt, wenn Sie befördert worden wären?«
»Ja, Greevy, das ist richtig. Ich war in der letzten Zeit einfach nicht da. Sehr viel zu tun jetzt. Ermittlungen.« Quellen zog die Brauen zusammen. Er wünschte nicht, daß seine häufige Abwesenheit zum Tagesgespräch wurde. Rasch, nervös griff er nach dem schmierig-grauen Einband des Grundkatalogs und notierte Nummern. Büchsennahrung, Preßkonzentrate, Grundnahrungsmittel, alles Nötige. Er kritzelte seine Liste und hielt sie vor die Sensoren, während der Ladenbesitzer wohlwollend zuschaute.
»Ihre Schwester war gestern hier«, sagte
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