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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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eine
Entscheidung fällte.
    Angespannt trat Sothorn die Tür auf und verschaffte sich dadurch ungewollt einen eindrucksvollen Auftritt, auf den er gern verzichtet hätte. Neun oder zehn Augenpaare richteten sich
auf ihn; einige aufgeregt und neugierig, andere prüfend und kühl. Ein halbes Dutzend Erwachsener saß oder stand im Raum verteilt. Zwischen ihnen spielten Kinder auf dem Steinboden
mit geschnitzten Holztieren.
    Das anhaltende Schweigen drohte Sothorn zu ersticken, als er mit einem knappen Nicken eintrat. Selbst die weichen Sohlen seiner Stiefel schienen in der Stille unangenehm viel Lärm zu
machen.
    „Ah, guten Abend“, begrüßte ihn eine gurgelnde Stimme vom Feuer her. Theasa lächelte nicht. Ihre Züge wirkten wie ein gefrorener See; kalt und unnahbar. Ihre
Worte passten weder zu ihrer Stimme noch zu ihrer Mimik: „Fühlst du dich besser?“
    „Ich denke schon“, antwortete er unstet.
    „Hungrig?“ Sie deutete auf ein Wildschwein, das mithilfe einer Kurbel langsam über den Flammen gedreht wurde.
    Angesichts des Dufts von gebratenem Fleisch und Fett lief Sothorn das Wasser im Mund zusammen. Er nickte.
    „Dauert noch eine Weile“, erklärte Theasa bereitwillig.
    Jemand näherte sich ihnen von hinten. Sothorn war dankbar, denn er wusste nicht, was er mit der verhärmten Meuchelmörderin besprechen sollte. Sollte er sie fragen, wie sie sich
vom Zenjanischen Lotus gelöst hatte? Nein.
    Instinktiv wusste Sothorn, dass Janis der bessere Ansprechpartner für solche Fragen war.
    „Und? Brauchst du etwas oder willst du dich umsehen?“, fragte der grauhaarige Begründer der Bruderschaft, als er zu ihnen trat. Janis glitt dicht an Theasa heran, sodass sich
ihre Schultern berührten. Sothorn war nicht sicher, was er davon halten sollte. Natürlicher Drang nach Nähe – unter Umständen waren sie ein Paar – oder
eine Demonstration von Stärke?
    „Ich sehe mich um“, entgegnete Sothorn steif. „Allerdings ist es schwierig, sich zurechtzufinden, wenn man nicht weiß, welchen Türen man nicht zu nah kommen
sollte.“
    Janis nickte verstehend: „Das ist leicht. Alle Türen auf dem Flur drüben solltest du in Ruhe lassen. Außer deiner eigenen selbstverständlich. Jeder andere Ort, den du
von diesem Raum aus erreichst, steht dir offen.“
    „Dort drüben“, Theasa deutete zu einer Tür, die in den Schatten lag und kaum zu erkennen war, „geht es nach draußen. Aber denk daran ...“, sie
lächelte gefährlich, „... du kannst uns nicht entkommen.“
    Dröhnend lachte Janis auf und stieß ihr in die Seite: „Spar dir deinen finsteren Humor. Er weiß Bescheid.“
    „Weiß ich?“, fragte Sothorn nach, der keineswegs wusste, was er von Theasas neuerlicher Warnung, nicht zu fliehen, halten sollte.
    „Anscheinend weiß er es nicht“, grinste sie und bekam dafür einen Schlag gegen die Schulter.
    Janis warf ihr einen amüsierten Blick zu, bevor er erklärte: „Ich sagte dir doch schon gestern, dass du unser Gast bist und kein Gefangener. Du kannst dich frei bewegen. Meine
liebe Freundin hier ärgert die Neuankömmlinge nur gern. Hör nicht auf sie.“
    „Genau, sag ihm, dass er mich ignorieren soll.“ Nun war es an ihr, Janis einen Schlag zu versetzen, bevor sie sich wieder Sothorn zuwandte: „Er hat natürlich recht. Aber
wandere nicht zu weit in die Berge. Die Hänge sind tückisch und ihre Bewohner ebenso. Und in der Festung selbst ... nun, wir bewohnen nur einen kleinen Teil. Also verlauf dich
nicht.“
    Bevor Sothorn ihre Warnungen kommentieren konnte, gab es einen kleinen Tumult. Die drei Assassinen fuhren herum – Sothorn etwas schneller als Theasa und Janis -, stellten aber schnell
fest, dass das Poltern und Kreischen lediglich auf zwei Kinder zurückzuführen war, die sich ineinander verbissen am Boden wälzten. Die vielleicht Sechsjährigen kämpften mit
Fingernägeln, Zähnen und Fäusten und konnten nur mühsam voneinander getrennt werden.
    „Ein eigenartiger Ort, um Kinder großzuziehen“, raunte Sothorn gedankenverloren.
    „Vielleicht“, schnappte Theasa. Jeder Humor war aus ihren Worten verschwunden. „Die Meinungen mögen da auseinandergehen. Aber wir glauben, dass Kinder zu ihren Eltern
gehören.“
    Die Art, wie sie jedes einzelne Wort scharf betonte und damit ihre stets am Rande des Versagens wankende Stimme belastete, verriet Sothorn viel über ihre Vergangenheit.
    Janis schwieg, beobachtete Theasa aus den Augenwinkeln, bevor er das Thema wechselte:

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