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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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erbrichst.“
    „Ich ... friere“, krächzte Sothorn kaum hörbar.
    Daran, dass er an seinem eigenen Erbrochenen ersticken könnte, hatte er nicht gedacht. Viel mehr war es neben der Kälte das Gefühl der Hilflosigkeit, das ihn wach hielt.
    Im Halbdunkel sah er, wie Geryim sich auf die Lippen biss und in Richtung Fenster sah. Er wirkte nachdenklich.
    Schließlich streckte Geryim sich und machte sich an den Schnürungen seiner Stiefel zu schaffen. Ohne, dass Sothorn ein Einfluss auf sein Handeln gehabt hätte – oder
ihn nach seiner Meinung zu fragen -, glitt der Wargssolja zu ihm unter die Decken. Als sei diese Annäherung nicht genug, drängte er sich fest an den reglosen Körper, bedeckte ihn mit
einem Bein und Arm und umfasste ihn innig.
    Wenn Sothorn sich gegen diese Behandlung wehren wollte, verflog sein Widerstand spätestens, als er die Hitze spürte, die von Geryim ausging.
    Warm, ganz warm. Der Atem an seiner Schläfe, die dank der Notwendigkeit, seine Kopfwunde zu versorgen, bloße Brust. Wie konnte Geryim noch warm sein, nachdem er den Nachmittag
über mit freiem Oberkörper neben Sothorn im Stroh gesessen hatte?
    „Besser?“, fragte der Wargssolja zaghaft und zog die Ränder der Decken unter ihre eng aneinander gedrängten Körper. Zu eng für Männer, die sich nicht leiden
konnten. Aber es war Sothorn nicht wichtig, wer ihn wärmte.
    Hauptsache, ihm wurde warm.
    Statt einer Antwort lallte er schwerfällig: „Erzähl ...“
    „Erzählen?“, erwiderte Geryim verwundert. „Was erzählen?“
    „Egal. Reden. Erzähl ... Syv.“
    Nicht richtig sprechen zu können, hinterließ ein bitteres Gefühl in Sothorns Brustgegend. Dabei war er nie ein großer Redner gewesen. Doch der Gedanke, etwas zu brauchen,
vielleicht Wasser lassen zu müssen, und sich nicht artikulieren zu können, war ihm unangenehm. Er sehnte sich nach Ablenkung.
    „Ich soll dir von Syv erzählen?“
    „J-ja.“
    „Das ist die letzte Bitte, die ich von dir erwartet hätte.“
    Es dauerte eine Weile, bis Geryim sich Worte zurechtgelegt hatte. Als er zu sprechen begann, hüllte seine nordländische Sprachmelodie Sothorn ein, als handele es sich bei seiner Stimme
um ein weiches Bärenfell.
    Mit aller Gewalt gegen die Lähmung aufbegehrend neigte er den Kopf, bis er an Geryims Schulter lag und lauschte.
    „Mein Volk hat eine innige Beziehung zu Tieren. Wir leben nicht in erster Linie von ihnen, wie die Menschen südlich des Yannenquell es tun, sondern mit ihnen.
    Die Legende sagt, dass einer der Vorväter unseres Stammes einst dem Halbgott Gor zu Hilfe kam, als dieser in der Gestalt eines Wargen von einem Erdrutsch begraben wurde. Gor war von dem
Verhalten meines Vorfahren erfreut, da er darin den Willen erkannte, jedem Lebenswesen – egal, ob Mensch, Tier oder Biest – Respekt zu zeigen.
    In seiner Dankbarkeit schenkte er unserem Volk die drei Rituale, die es uns möglich machen, unsere Gefährten zu finden und an uns zu binden. Die Tiere vertrauen uns ihr Leben an, und
wir schenken ihnen dafür einen Teil unserer Seele.
    Ich weiß nicht, ob es Magie ist, aber mit dem Geist eines Tieres zu verschmelzen ist nichts, was man aus einer Laune heraus tun sollte. Man erhält viel, aber man zahlt auch einen
Preis.
    Deswegen warten wir, bis das Tier zu uns kommt. Wir gehen nicht auf die Jagd und fangen einen jungen Marder oder eine Eule mit Gewalt ein, sondern hoffen darauf, dass sie uns von allein finden.
Manchmal dauert es Jahre, bis sich der richtige Gefährte zeigt.
    Aber ich wollte dir von Syv erzählen. Er ist noch sehr jung. Er fiel mir im wahrsten Sinne des Wortes vor die Füße, kaum dass ich meinen ersten Auftrag für die Bruderschaft
erledigt hatte. Er stürzte aus dem Horst seiner Mutter, schlug verzweifelt mit seinen schwachen Flügeln und stürzte vor uns in ein Dornendickicht. Ihn daraus zu befreien, hatte mich
etliche Zoll unversehrter Haut gekostet. Ich brachte ihn heim, ich jagte für ihn, fütterte ihm, zog ihn groß und begleitete ihn zu Pferd, als er seine ersten Flugversuche machte.
Als er keine Anstalten machte, mich zu verlassen, nachdem er flügge geworden war, führte ich das erste Ritual durch und tastete nach seinem Geist. Seitdem gehören wir zusammen.
    In Syvs Adlerkopf stecken mehr Zuneigung und Loyalität, als die meisten Menschen je erfahren werden. Ich spüre ihn. Spüre, was er braucht, ob er sich fürchtet oder ob er
irritiert ist. Anders herum wird er mich stets finden. Egal, wo ich

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