Zenjanischer Lotus (German Edition)
wir haben auch noch nie mit jemandem zu tun gehabt, der so lange süchtig war. Und er hat sich fast das Gehirn aus dem Schädel
getrümmert“, fuhr Geryim auf.
In diesem Augenblick, da er leidenschaftlich für Sothorns Sache kämpfte, liebte der gemarterte Assassine ihn. Es war eine kranke, egoistische, von der Gier nach Lotus zerfressene
Liebe, aber sie ließ sich nicht leugnen.
Winselnd kniff Sothorn in Janis Unterarm, versuchte, seinen Blick zu binden und schämte sich nicht dafür, dass er offen bettelte. Ab einem gewissen Punkt waren Kleinigkeiten wie Stolz
nicht länger von Bedeutung.
Er ächzte Geryim zu: „Sag ihm, er soll mir etwas geben ... bitte ... ich halte das nicht länger aus. Oder tötet mich. Hauptsache, es hört auf.“
„Hier wird niemand getötet“, sagte Janis fest. „Gut, lass uns ihn ins Stroh legen. Soll ich dir hinterher helfen?“
Abwehrend schüttelte Geryim den Kopf: „Nein, ich erledige das lieber allein.“
Nachdem er sich von Sothorn gelöst hatte, griffen sie gemeinsam nach ihm und trugen ihn auf sein Lager. Das Stroh kratzte an seinem Hals und kroch in seine verfilzten Haare. Über
seinen Leib hinweg wechselte ein glänzender Gegenstand den Besitzer.
Ein letztes Mal sah Janis Geryim fragend an, bis dieser den Hünen mit einer rüden Geste aus dem Raum schickte.
„Draußen liegen zusätzliche Decken. Du weißt, dass du heute Nacht bei ihm bleiben musst, oder?“
„Selbstverständlich“, fauchte Geryim mit der Miene eines Mannes, der unter massivem Druck stand. „Ich bin doch kein Narr.“
„Das habe ich nie behauptet“, entgegnete Janis ruhig.
Mit diesen Worten lächelte er Sothorn schwach zu, bevor er an die Tür trat und sich von der wartenden Kara die zusätzlichen Wolldecken reichen ließ. Geryim nahm sie
entgegen, stapelte sie neben dem Stroh auf.
Sie verabschiedeten sich mit einem Handschlag, der Sothorn unter anderen Umständen nervös gemacht hätte, aber in diesem Augenblick konnte und wollte er nur daran denken, dass sie
seine Schmerzen lindern würden.
Kaum, dass sie allein waren, setzte Geryim sich eine Spur zu dicht neben ihn und schichtete mit einer Hand das Stroh um Sothorn herum auf, bevor er ihm eine Decke über den Leib warf.
Zu heiß.
Knurrend wehrte Sothorn sich, doch Geryim hielt ihn fest und erklärte vehement: „Du wirst sie gleich brauchen.“
„Rede nicht. Gib mir lieber den Lotus.“ Sothorn hatte genau gesehen, dass Geryim eine Phiole von Janis bekommen hatte. „Her damit!“
Seine Finger zitterten vor Sehnsucht. Er konnte die milde Süße des Lotus schon schmecken. Glaubte das sachte Brodeln zu hören, das die Oberfläche der Droge selbst im
erkalteten Zustand zerbrach. Blasen, die in die Höhe stiegen und dabei die Sinne benebelnde Dämpfe absonderten.
Zauberei und Alchemie, Giftmischerei und Heilkunst vereint zu einer glückseligen Allianz.
Geryim zögerte, bevor er umsichtig das Wachs von der Phiole löste.
Sothorn wollte danach greifen, doch der Wargssolja wehrte seine Bemühungen ab: „Nicht. Du lässt sie noch fallen und alles landet im Stroh.“
Das sah Sothorn ein. Kein Tropfen durfte verschwendet werden. Es war wenig genug, wenn er die Größe des Fläschchens richtig einschätzte. Nicht genug, um ihm dauerhaft
Linderung zu verschaffen, aber genug, um ihn zu retten.
Umsichtig setzte Geryim ihm die Phiole an die Lippen, bevor er den Inhalt in einem Schwung in Sothorns Mund goss.
Er schluckte gierig. Lange bevor er begriff, dass die Flüssigkeit zu flüssig, zu bitter war, verätzte sie seine Speiseröhre und brannte sich ihren Weg in seinen Magen.
Hustend drehte Sothorn sich zur Seite, spuckte aus, nur um gleich darauf bösartig zu fluchen.
„Was war das?“, brüllte er aufgebracht, sobald etwas anderes als Verwünschungen über seine Lippen kamen.
Die Enttäuschung ließ ihm Tränen in die Augen steigen. Er fühlte sich betrogen. Kein Lotus. Sie hatte ihm etwas anderes gegeben, hatten mit seinem Verlangen gespielt.
Mit verkniffenem Mund zog Geryim die Beine nah an seinen Körper und wisperte: „Kriechergift.“
Sothorn erstarrte. Es würgte ihn. Panik ergriff von ihm Besitz, und auf einmal hörte sich selbst in seiner Erinnerung sagen: „... oder tötet mich.“
Er kannte Kriechergift. Es wurde aus einer seltenen Pflanze gewonnen, die weit im Süden des Kontinents die einzig nennenswerte Vegetation in den endlosen Dünen der Pheasa-Wüste
darstellte. Jeder Teil des flach am Boden
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