Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
anstreben. »Ein solches Verfahren kann die schier unglaubliche finanzielle Last erträglich machen, die Familien mit einem schwerstbehinderten Kind tragen müssen«, sagt St. Pierre, der aufgrund eines gespaltenen Rückgrats selbst seit seiner Geburt an den Rollstuhl gefesselt ist. »Das Problem ist aber die Botschaft, die sich dahinter verbirgt: nämlich dass behinderte Menschen kein erfülltes Leben leben können; dass man gar nicht erst auf dieser Welt sein solle, wenn man nicht perfekt ist.«
Ein Vergleich über 3,2 Millionen Dollar, der im Rahmen eines Verfahrens wegen ungewollter Geburt 2004 vereinbart worden war, ist jedoch 2006 vom Obersten Gericht New Hampshires wieder aufgehoben worden.
Da war sogar ein Foto von uns vieren; es war vor zwei Jahren für einen Flyer aufgenommen worden, der im Rahmen einer PR -Kampagne der Polizei in der Nachbarschaft verteilt wurde.
Auf dem Foto war dein Arm eingegipst.
Ich warf die Zeitung über den Tisch und auf den Sitz mir gegenüber. Scheißjournalisten! Was machten die den ganzen Tag? Hockten die vor dem Gerichtsgebäude und warteten, was da so rauskam? Jeder, der diesen Artikel las – und wer tat das nicht, es war schließlich die Lokalzeitung –, würde denken, ich machte das nur wegen des Geldes.
Das stimmte aber nicht, und um das zu beweisen, ließ ich einen Zwanzigdollarschein auf dem Tisch für ein Zweidollaressen, das noch nicht einmal serviert worden war.
Fünfzehn Minuten später, nach einem kurzen Zwischenstopp auf dem Revier, um Marin Gates’ Adresse herauszufinden, tauchte ich vor ihrem Haus auf. Es war ganz und gar nicht das, was ich erwartet hatte. Da standen Gartenzwerge im Vorgarten, und der Briefkasten hatte die Form eines Schweins mit offener Schnauze. Die Schindeln waren violett gestrichen. In so einem Haus lebten Hänsel und Gretel, keine knallharte Rechtsanwältin.
Ich klingelte an der Tür, und Marin machte auf. Sie trug ein Beatles-T-Shirt und eine UNH -Jogginghose. »Was machen Sie denn hier?«
»Ich muss mit Ihnen sprechen.«
»Sie hätten anrufen können.« Sie schaute sich nach Charlotte um.
»Ich bin allein«, sagte ich.
Marin verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich stehe nicht im Telefonbuch. Wie haben Sie herausgefunden, wo ich wohne?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bin ein Cop.«
»Das ist eine Verletzung meiner Privatsphäre …«
»Gut. Dann können Sie mich ja verklagen, wenn Sie mit Piper fertig sind.« Ich hielt die Zeitung in die Höhe. »Haben Sie diesen Müll gelesen?«
»Ja. Was die Presse betrifft, können wir nur wenig tun, außer ständig zu sagen: ›Kein Kommentar.‹«
»Ich bin draußen«, erklärte ich.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich mache nicht mehr mit. Ich will aus der Klage raus.« Allein das auszusprechen, reichte schon, und ich hatte das Gefühl, die Last der Welt falle von meinen Schultern. »Ich unterschreibe, was immer Sie wollen. Ich will es nur offiziell machen.«
Marin zögerte. »Kommen Sie rein. Dann können wir reden«, sagte sie.
Wenn mich das Äußere ihres Hauses schon überrascht hatte, so war ich drinnen erst richtig von den Socken. Da stand eine ganze Regalwand voller Hummelfiguren und drei andere voller Stickereien. Auf dem Sofa blühten Spitzendecken wie Algenteppiche. »Hübsch haben Sie’s hier«, log ich.
Sie blickte mich ungerührt an. »Ich habe es möbliert gemietet«, erklärte sie. »Die Besitzerin lebt in Fort Lauderdale.«
Auf dem Esszimmertisch lagen ein Stapel Akten und ein Schreibblock; der Boden war mit zerknülltem Papier übersät. Was immer Marin gerade schrieb, es machte ihr reichlich Mühe.
»Schauen Sie, Lieutenant O’Keefe, ich weiß, dass wir beide auf dem falschen Fuß angefangen haben, und ich weiß, dass die Befragung für Sie … schwierig war. Aber wir werden das jetzt anders angehen, und ist die Sache erst einmal vor Gericht, wird ohnehin alles anders. Ich bin sicher, dass die Geschworenen eine substanzielle Summe …«
»Ich will Ihr Blutgeld nicht«, unterbrach ich sie. »Sie kann alles haben.«
»Ich sehe wohl das Problem«, sagte Marin. »Aber hier geht es nicht um Ihre Frau und Sie. Hier geht es um Willow. Und wenn Sie ihr wirklich das Leben bieten wollen, das sie verdient, dann müssen Sie einen Prozess wie diesen gewinnen. Wenn Sie jetzt einen Rückzieher machen, gibt das der Verteidigung nur eine weitere Möglichkeit …«
»Meine Tochter«, sagte ich angespannt, »liest Stoff der sechsten Klasse. Sie wird den
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