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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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dich gleich bei mehreren Therapien filmen können, einschließlich eines Besuchs bei einem Spezialisten für Prothesen. Ich fragte mich, ob dir überhaupt die Zeit blieb, um auch mal Vorschulkind zu sein.
    »Wie läuft es bis jetzt, was meinen Sie?«, fragte Charlotte, als wir den Flur zum Behandlungsraum hinuntergingen. Deine Betreuerin lief mit dir ein paar Schritte vor uns her. »Glauben Sie, das reicht für die Geschworenen?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte ich. »Das ist mein Job.«
    Der Raum für die Physiotherapie lag neben der Turnhalle. Drinnen legte ein Lehrer gerade eine Reihe Bälle aus. Eine Wand bestand ausschließlich aus Fenstern, sodass man von draußen sehen konnte, was dort vor sich ging. Das kam mir grausam vor. Sollte das ein Kind wie dich etwa antreiben, härter an sich zu arbeiten? Kam niemand auf die Idee, das könnte dir peinlich sein?
    Zweimal die Woche hattest du bei Molly in der Schule Physiotherapie. Einmal die Woche gingst du in ihre Praxis. Molly war ein dürrer Rotschopf mit überraschend tiefer Stimme. »Wie geht’s der Hüfte?«
    »Tut noch immer weh«, hast du geantwortet.
    »Heißt das, ich würde lieber sterben als gehen, Molly , oder heißt das eher autsch ?«
    Du hast gelacht. »Autsch.«
    »Gut. Dann zeig mir mal, was du draufhast.«
    Sie hob dich aus deinem Rollstuhl und stellte dich aufrecht auf den Boden. Ich hielt die Luft an – ich hatte dich noch nicht ohne Hilfe laufen sehen –, und du machtest winzige Schritte. Dein rechter Fuß hob sich vom Boden, dein linker schleifte hinterher. Am Rand einer roten Matte hieltest du an. Sie war nur einen Zoll dick, aber du hast zehn ganze Sekunden gebraucht, um das linke Bein entsprechend hochzuheben.
    Molly warf einen großen roten Ball auf die Matte. »Möchtest du heute damit anfangen?«
    »Ja«, sagtest du, und dein Gesicht begann zu leuchten.
    »Dein Wunsch ist mir Befehl«, sagte Molly und setzte dich auf den Ball. »Zeig mir, wie weit du mit der linken Hand kommst.«
    Du griffst um deinen Oberkörper herum und bogst die Wirbelsäule durch; aber trotz aller Mühe zeigten deine Schultern weiter genau nach vorne. Schließlich hattest du dich so weit gedreht, dass du durch das Fenster sehen konntest, wie deine Klassenkameraden fröhlich Völkerball spielten. »Ich wünschte, das könnte ich auch«, hast du gesagt.
    »Streck dich weiter so, Wonder Woman, und du wirst das vielleicht können«, erwiderte Molly.
    Aber das stimmte eigentlich nicht. Selbst wenn du genug Biegsamkeit erlangen würdest, um dich zu ducken, könnten deine Knochen nicht einem einzigen Treffer standhalten.
    »Du verpasst nichts«, sagte ich. »Ich fand Völkerball immer furchtbar. Ich bin immer als Letzte gewählt worden.«
    »Ich bin noch nie gewählt worden«, hast du erwidert.
    Das , dachte ich, wird bei den Geschworenen verdammt gut an­kommen.
    Offensichtlich war ich nicht die Einzige, die das dachte. Charlotte schaute zur Kamera und dann auf die Physiotherapeutin, die dich inzwischen bäuchlings auf den Ball gelegt hatte und dich hin- und herschaukelte. »Molly? Wie wäre es mit dem Ring?«
    »Ich wollte noch ein, zwei Wochen warten, bevor ich mit Gewichten arbeite …«
    »Vielleicht können wir ja ein wenig am weichen Gewebe arbeiten, um ihre Reichweite zu erhöhen.«
    Molly setzte dich auf den Boden. Deine Füße stießen mit den Sohlen einander, eine Yoga-Stellung, die ich selbst an guten Tagen nicht schaffte. Molly ging zur Wand und band einen Turnring los, der von der Decke baumelte. Sie stellte die Höhe ein, bis sich der Ring genau über deinem Kopf befand. »Diesmal nehmen wir den rechten Arm«, sagte sie.
    Du hast den Kopf geschüttelt. »Ich will nicht.«
    »Versuch es einfach mal. Wenn es zu sehr schmerzt, hören wir auf.«
    Du hobst den Arm, bis die Fingerspitzen den Gummiring berührten. »Können wir jetzt aufhören?«
    »Komm schon, Willow. Ich weiß, wie zäh du bist«, sagte Molly. »Leg deine Finger da rum, und drück fest zu.«
    Um das zu tun, musstest du den Arm noch ein weiteres Stück heben. In deinen Augen glänzten Tränen und intensivierten das Blau deiner Lederhaut. Der Kameramann machte eine Nahaufnahme.
    Als du die Finger um den Ring schlossest, fingst du ernsthaft an zu weinen. »Bitte, Molly … darf ich aufhören?«
    Plötzlich saß Charlotte nicht mehr neben mir, sondern stand bei dir und löste deine Finger. Dann nahm sie vorsichtig deinen Arm herunter und drückte dich an sich. »Ist schon gut, Schatz«,

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