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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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noch niemand den Begriff ›bipolare Störung‹ gekannt oder gewusst, wie man sie behandelt. Siebzehn Jahre lang sind meine Eltern deswegen durch die Hölle gegangen. Meine gesamte Kindheit lang drehte sich alles immer nur darum, wie Steven sich fühlte: War es für ihn ein guter Tag oder ein schlechter? Und«, sagte er, »dabei habe ich gelernt, wie man sich um einen Menschen kümmert, der einzig und allein auf sich fixiert ist.«
    Schuldgefühle machten sich in mir breit. Charlotte hatte mich gekränkt, und als Reaktion darauf hatte ich Rob gekränkt. Ist das immer so mit geliebten Menschen? Wir schießen ins Dunkle und bemerken zu spät, dass wir ausgerechnet die Menschen getroffen haben, die wir eigentlich beschützen wollen. »Seit du den Gerichtsbescheid bekommen hast, denke ich darüber nach. Was, wenn meine Eltern es vorher erfahren hätten?«, sagte Rob. »Vor Stevens Geburt? Wenn ihnen jemand gesagt hätte, dass er sich noch vor seinem achtzehnten Geburtstag umbringen wird?«
    Ich war vollkommen still.
    »Hätten sie die siebzehn Jahre auf sich genommen, um ihn kennenzulernen? Um die guten Zeiten zwischen seinen Krisen zu genießen? Oder hätten sie sich diese emotionale Achterbahnfahrt erspart – und mir damit auch?«
    Ich stellte mir vor, wie Rob ins Zimmer seines Bruders kam, um ihn zum Essen zu rufen, und ihn an einem Strick hängend fand. Ich hatte meine Schwiegermutter ab und zu auch mal lächeln sehen, doch ihr Lächeln drang nie bis in die Augen vor.
    »Das ist kein fairer Vergleich«, sagte ich steif.
    »Warum nicht?«
    »Eine bipolare Störung kann man nicht in utero diagnostizieren. Du redest am Problem vorbei.«
    Rob schaute mir in die Augen. »Tue ich das?«

Marin
    Februar 2008
    »Seien Sie einfach Sie selbst«, sagte ich zu Charlotte. »Wir wollen nicht, dass Sie wegen der Kamera schauspielern. Tun Sie einfach so, als wären wir nicht hier.«
    Ich lächelte nervös und wandte mich den zweiundzwanzig Mondgesichtern zu, die zu mir aufschauten: Miss Watkins’ Vorschulklasse. »Hat irgendwer Fragen?«
    Ein kleiner Junge hob die Hand. »Kennen Sie Simon Cowell?«
    »Nein«, antwortete ich und grinste. »Sonst noch jemand?«
    »Ist Willow ein Filmstar?«
    Ich schaute zu Charlotte, die direkt hinter mir stand, zusammen mit dem Kameramann, den ich angeheuert hatte, um Ein Tag im Leben von Willow zu filmen. Den Film wollte ich dann den Geschworenen vorführen. »Nein«, antwortete ich. »Sie ist immer noch nur eure Freundin.«
    »Oh! Oh! Ich, ich!« Ein hübsches Mädchen, die klassische zukünftige Cheerleaderin, wedelte wie wild mit der Hand, bis ich sie aufrief. »Wenn ich heute so tue, als wäre ich Willows Freundin, komme ich dann in Entertainment Tonight ?«
    Die Lehrerin trat vor. »Nein, Sapphire. Und du sollst hier überhaupt nicht ›so tun‹, als seist du jemandes Freundin. Wir sind alle Freunde. Richtig?«
    »Ja, Miss Watkins«, antwortete die Klasse im Chor.
    Sapphire? Das Mädchen hieß wirklich Sapphire? Beim Reinkommen hatte ich mir die Namensschilder an der kleinen Garderobe angeschaut und Namen wie Flint, Frisco und Cassidy gesehen. Nannte denn niemand mehr sein Kind Tommy oder Elizabeth?
    Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob meine biologische Mutter mich im Stillen bereits Sarah oder Abigail genannt, sich einen Namen für mich überlegt hatte, der ausgelöscht wurde, als meine Adoptiveltern kamen und mein Leben neu begann.
    Du saßest heute im Rollstuhl, sodass dir die anderen Kinder Platz machen mussten, wenn deine Betreuerin dich an einen Tisch schob. »Das ist so seltsam«, sagte Charlotte leise. »Ich habe sie noch nie in der Schule gesehen. Mir ist, als wäre ich in ihr Allerheiligstes vorgedrungen.«
    Ich hatte die Kameracrew angeheuert, damit sie dich einen ganzen Tag lang filmten. Obwohl du verbal durchaus in der Lage warst, dich vor Gericht zu behaupten, wäre es grausam gewesen, dich in den Zeugenstand zu rufen. Und ich brachte es einfach nicht über mich, dich in den Gerichtssaal zu lassen, wenn deine Mutter klar und deutlich bezeugte, dass sie dich bei frühzeitiger Information abgetrieben hätte.
    Wir waren um sechs Uhr früh bei euch zu Hause eingetroffen, gerade rechtzeitig, um zu filmen, wie deine Mutter dich und Amelia weckte. »Oh mein Gott, was für ein Mist«, stöhnte Amelia, als sie die Augen aufmachte und die Kamera sah. »Jetzt wird die ganze Welt sehen, mit was für einer Frisur ich morgens aus dem Bett steige.«
    Sie sprang sofort auf und rannte

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