Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
jetzt drehte sie am anderen Ende der Bahn eine Pirouette und ließ sich von ihrer Trainerin korrigieren.
Amelia konnte ich nirgends sehen, auch dich und Charlotte nicht.
Als ich an meinem Wagen ankam, hatte sich mein Puls fast schon wieder beruhigt. Ich stieg ein und ließ den Motor an. Plötzlich klopfte es am Fenster, und ich erschreckte mich zu Tode.
Charlotte stand dort, einen Schal um Nase und Mund gewickelt. Der Wind trieb ihr Tränen in die Augen. Ich zögerte, dann ließ ich das Fenster herunter.
Sie sah genauso elend aus, wie ich mich fühlte. »Ich … ich muss dir nur etwas sagen«, stotterte sie. »Es geht hier nicht um dich und mich.«
Ich musste die Zähne zusammenbeißen, um nichts darauf zu erwidern.
»Ich habe dadurch die Chance, Willow alles bieten zu können, was sie in Zukunft brauchen wird.« Ihr Atem bildete einen Dunstschleier um ihren Kopf. »Ich mache dir nicht zum Vorwurf, dass du mich hasst; aber verurteilen kannst du mich nicht, Piper. Wäre Willow dein Kind … Ich weiß, dass du das Gleiche getan hättest.«
Ich ließ die Worte zwischen uns in der Luft hängen. »Du kennst mich nicht so gut, wie du glaubst, Charlotte«, sagte ich und fuhr vom Parkplatz, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.
Zehn Minuten später platzte ich in Robs Büro mitten in eine Beratung. »Piper«, sagte er in gelassenem Tonfall und schaute die Eltern und ihre kleine Tochter an, die meine wilden Haare, meine laufende Nase und meine tränennassen Wangen musterten.
Die Mutter räusperte sich. »Vielleicht sollten wir Sie beide erst einmal miteinander reden lassen.«
»Mrs. Spifield –«
»Nein, wirklich«, sagte die Frau, stand auf und rief den Rest ihrer Familie zusammen. »Wir können Ihnen ruhig eine Minute Zeit geben. Kein Problem.«
Sie verließen schleunigst das Büro, aus Angst, ich würde jeden Moment die Fassung verlieren, und vermutlich lagen sie da gar nicht mal so falsch. »Bist du jetzt glücklich?«, platzte Rob heraus. »Wahrscheinlich hast du gerade eine neue Patientin vertrieben.«
»Wie wäre es erst einmal mit: Piper, was ist passiert? Sag mir, wie ich dir helfen kann. «
»Bitte entschuldige, wenn ich das Mitleidsband nicht sofort abspule, aber es ist schon ein wenig ausgeleiert. Herr im Himmel, ich versuche hier, eine Praxis zu führen.«
»Ich bin gerade auf der Eisbahn Charlotte in die Arme gelaufen.«
Rob sah mich verständnislos an. »Und?«
»Soll das ein Scherz sein?«
»Ihr lebt in derselben Stadt. Einer Kleinstadt. Es ist ein Wunder, dass ihr euch bist jetzt noch nicht über den Weg gelaufen seid. Was hat sie getan? Hat sie sich mit einem Messer auf dich gestürzt? Hat sie dich zum Duell herausgefordert? Werd erwachsen, Piper.«
Ich fühlte mich, wie ein Stier sich fühlen musste, wenn er in die Arena gelassen wurde. Freiheit, Erleichterung … und dann kommt der Pikador und rammt ihm eine Lanze hinein. »Ich werde jetzt gehen«, sagte ich. »Ich werde Emma abholen, und wenn du heute Abend nach Hause kommst, wirst du vielleicht noch einmal überdacht haben, wie du mich behandelt hast.«
»Wie ich dich behandelt habe?«, erwiderte Rob. »Ich habe dich immer nur unterstützt. Ich habe kein Wort gesagt, obwohl du deine Praxis aufgegeben hast und nur noch wie eine Besessene im Haus herumwerkelst. Wir bekommen eine Holzrechnung über zweitausend Dollar? Kein Problem. Du vergisst Emmas Chorauftritt, weil du im Baumarkt über Abflussrohre fachsimpelst? Vergeben und vergessen. Ich meine, es ist schon eine Ironie, dass ausgerechnet du zu einer Do-it-yourself-Queen mutiert bist. Du willst unsere Hilfe doch gar nicht. Du willst dich nur in Selbstmitleid suhlen.«
»Das ist kein Selbstmitleid.« Meine Wangen brannten. Konnten die Spifields uns im Wartezimmer streiten hören? Oder die Arzthelferinnen?
»Ich weiß, was du von mir willst, Piper. Ich bin nur nicht sicher, ob ich das noch kann.« Rob ging zum Fenster und schaute auf den Parkplatz hinaus. »Ich habe viel über Steven nachgedacht«, sagte er nach einem Augenblick.
Als Rob zwölf Jahre alt war, beging sein älterer Bruder Selbstmord. Rob fand ihn damals; Steven hatte sich erhängt. Ich wusste das alles, auch schon vor unserer Heirat. Darum brauchte es seine Zeit, bis ich Rob schließlich überzeugen konnte, selbst Kinder zu bekommen – er hatte Angst, die Krankheit seines Bruders könnte erblich sein. Jetzt wurde mir klar, dass die vergangenen Monate Rob in jene Zeit zurückversetzt hatten.
»Damals hat
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