Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
helfen, anstatt mir zu sagen, was für eine Rabenmutter ich bin?«
»Ich versuche ja, Ihnen zu helfen. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, welche Art Video ich aus diesem Material für die Geschworenen zusammenschneiden soll. Wenn sie es sich jetzt ansehen würden, bekämen sie ja vielleicht Mitleid mit Willow, aber Sie würden sie verabscheuen.«
Plötzlich verließ Charlotte alle Kraft. Sie ließ sich auf den Stuhl zurücksinken, auf dem sie gesessen hatte, als ich ins Zimmer gekommen war. »Als Sie das mit der ungewollten Geburt zum ersten Mal erwähnt haben, habe ich genauso empfunden wie Sean. Es war der widerlichste Begriff, den ich je in meinem Leben gehört habe. All die Jahre habe ich einfach getan, was getan werden musste. Ich wusste, dass die Leute Willow und mich beobachteten und dachten: Das arme Mädchen. Die arme Mutter. Aber wissen Sie, ich habe das nie so gesehen. Sie war mein Baby, und ich wollte für sie sorgen; damit war die Sache erledigt.« Charlotte blickte auf. »Dann haben Sie und Robert Ramirez zu reden begonnen und mir Fragen gestellt, und ich habe gedacht: Endlich versteht mich jemand. Ich hatte das Gefühl, mein ganzes Leben unter der Erde verbracht zu haben, und plötzlich erlaubte mir jemand einen Blick auf den Himmel. Wer wollte wieder unter die Erde zurückkehren, nachdem er ihn einmal gesehen hat?«
Meine Wangen glühten. Ich wusste genau, wovon Charlotte sprach, und der Gedanke, dass ich etwas mit ihr gemein hatte, gefiel mir nicht. Aber ich wusste noch genau, wie es gewesen war, als ich erfahren hatte, dass ich ein Adoptivkind war, als ich erkannte, dass es da noch eine Mutter gab, noch einen Vater, dass ich Eltern hatte, die ich gar nicht kannte. Das hatte mich jahrelang beschäftigt, auch wenn ich nicht immer unmittelbar daran dachte.
Anwälte waren berüchtigt dafür, auch noch die unwahrscheinlichsten Fälle zu konstruieren, besonders solche, die große Summen Geld abwarfen. Aber war die Zerrüttung dieser Familie hier wirklich meine Schuld? Hatten Bob und ich ein Monster erschaffen?
»Meine Mutter ist in einem Pflegeheim«, sagte Charlotte. »Sie weiß nicht mehr, wer ich bin; also bewahre ich jetzt ihre Erinnerungen. Ich bin diejenige, die ihr erzählt, wie wir Brownies für eine ganze Schulklasse gebacken haben, wie ich mich für den Schülerrat beworben und einen Erdrutschsieg errungen habe. Oder ich erzähle ihr, wie sie im Sommer mit mir Muscheln gesammelt und sie in einem Glas neben mein Bett gestellt hat. Ich frage mich, welche Begebenheiten Willow mir irgendwann erzählen wird, wenn es so weit ist. Ich frage mich, ob es einen Unterschied zwischen einer pflichtbewussten und einer guten Mutter gibt.«
»Ja, den gibt es«, sagte ich, und Charlotte schaute mich erwartungsvoll an.
Auch wenn ich als Erwachsene den Unterschied nicht gleich in Worte fassen konnte, ich hatte ihn schon als Kind gefühlt. Nach kurzer Überlegung sagte ich: »Eine pflichtbewusste Mutter ist eine, die jeden Schritt ihres Kindes verfolgt.«
»Und eine gute Mutter?«
Ich erwiderte Charlottes Blick. »Eine gute Mutter ist eine, der das Kind folgen will.«
~ Rezept
Mischreagenz: Substanzgemisch, das man Zuckersirup zusetzt, um ihn vom Kristallisieren abzuhalten.
Wir hatten alle schon mal so einen glasklaren Moment, in dem plötzlich alles zusammenkam und begreiflich wurde … ob wir das nun wollten oder nicht. Das gleiche Phänomen gibt es bei der Produktion von Süßigkeiten: Es gibt den Zeitpunkt, wo eine Mischung sich in etwas anderes verwandelt. Ein einziger, nicht eingebundener Zuckerkristall kann die Textur von glatt zu körnig verändern, und wenn man nichts dagegen unternimmt, bekommt man schließlich Kandiszucker. Aber wenn man dem Zuckersirup einige Zutaten beimengt, bevor man ihn zum Kochen bringt, kann diese Kristallisation verhindert werden. Derartige Zutaten sind Maissirup, Glukose und Honig, aber auch Weinstein, Zitronensaft und Essig.
Wenn es nicht der Zucker ist, den man daran hindern will, kristallklar zu werden, sondern das eigene Leben … Nun dann ist die beste Zutat eine gut erzählte Lüge.
~ Crème Caramel
KARAMELL
1 Tasse Zucker
1/3 Tasse Wasser
2 Teelöffel Maissirup
1/4 Teelöffel Zitronensaft
EIERCREME
1 1/2 Tassen Vollmilch
1 1/2 Tassen leichte Schlagsahne
3 große Eier
2 große Eigelb
2/3 Tasse Zucker
1 1/2 Teelöffel Vanilleextrakt
1 Prise Salz
Man kann eine große Schüssel Crème Caramel kochen, aber ich ziehe es vor, sie in einzelnen
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