Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult

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Tests uns früher hätte verraten können, dass du unter OI leidest. Sie hatte noch nicht einmal eingeräumt, dass die Krankheit durch andere Tests vielleicht entdeckt worden wäre. Hatte sie das um meinet- oder um ihretwillen verschwiegen?
    Es wäre für sie eigentlich gar keine Beeinträchtigung , dachte ich plötzlich. Für solche Klagen haben Ärzte schließlich eine Versicherung. Aber für uns würde das nur Gutes bringen. Um sicherzustellen, dass du dich weiter auf mich verlassen kannst, wollte ich die Freundin aufgeben, auf die ich mich seit meiner Schwangerschaft verlassen hatte.
    Vergangenes Jahr, als Emma und Amelia in der sechsten Klasse gewesen waren, war der Sportlehrer hinter Emma getreten und hatte ihre Schultern gedrückt, als sie bei einem Softballmatch an der Seitenlinie gestanden hatte. Das war sicher ganz harmlos gewesen, doch Emma war nach Hause gekommen und hatte erklärt, ihr Lehrer mache ihr Angst. Was soll ich tun? , hatte Piper mich gefragt. Soll ich dem Grundsatz folgen »Im Zweifel für den Angeklagten« oder soll ich das panische Elternteil spielen? Bevor ich ihr meine Meinung auch nur hatte sagen können, hatte sie schon eine Entscheidung getroffen. Es geht um meine Tochter , sagte sie. Wenn ich nicht gehe und den Mund aufmache, werde ich es vielleicht bereuen.
    Piper Reece war mir wichtig, aber du würdest mir immer wichtiger sein.
    Mit klopfendem Herzen zog ich die Visitenkarte aus der Hosentasche und beeilte mich, die Nummer zu wählen, bevor mich der Mut verließ.
    »Marin Gates«, sagte eine Stimme am anderen Ende.
    »Oh«, geriet ich überrascht ins Stolpern. So spät am Abend hatte ich mit einem Anrufbeantworter gerechnet. »Ich wusste nicht, dass so spät noch …«
    »Wer ist denn da?«
    »Charlotte O’Keefe. Ich war vor ein paar Wochen mit meinem Mann in Ihrer Kanzlei. Es ging um …«
    »Ja, ich erinnere mich«, sagte Marin.
    Ich wickelte die Telefonschnur um meinen Arm und stellte mir die Worte vor, die ich hineinsprechen und damit öffentlich machen würde.
    »Mrs. O’Keefe?«
    »Ich bin … Ich bin bereit zu klagen.«
    Es folgte ein kurzes Schweigen. »Dann sollten wir einen Termin ausmachen, wann Sie zu mir ins Büro kommen können. Meine Sekretärin wird Sie morgen anrufen, wenn Sie einverstanden sind.«
    »Nein«, erwiderte ich und schüttelte den Kopf. »Ich meine, das ist schon in Ordnung, aber ich werde morgen nicht zu Hause sein. Ich bin mit Willow im Krankenhaus.«
    »Es tut mir leid, das zu hören.«
    »Nein, nein, es geht ihr gut. Nun, eigentlich geht es ihr nicht gut, aber das ist Routine. Donnerstag sind wir wieder daheim.«
    »Ich mache mir eine dementsprechende Notiz.«
    »Gut«, sagte ich und stieß erleichtert den Atem aus. »Gut.«
    »Bitte, richten Sie Ihrer Familie meine Grüße aus«, erwiderte Marin.
    »Ich habe nur eine Frage«, sagte ich, doch Marin hatte bereits aufgelegt. Ich drückte das Mundstück an meine Lippen und schmeckte das bittere Metall. »Würden Sie das tun?«, flüsterte ich laut. »Würden Sie das an meiner Stelle tun?«
    Wenn Sie einen weiteren Anruf tätigen wollen , sagte die mechanische Stimme eines Telefonisten, dann legen Sie bitte auf und wählen erneut.
    Was würde Sean sagen?
    Nichts, erkannte ich, denn ich würde ihm nicht erzählen, was ich getan hatte.
    Ich ging zurück zu deinem Zimmer. Du hast leise geschnarcht. Das Video, das du dir zum Einschlafen angesehen hattest, warf rote, grüne und goldene Lichter über das Bett wie ein Vorbote des Herbstes. Ich legte mich hin. Eine hilfsbereite Schwester hatte einen der Besucherstühle in eine schmale Liege verwandelt. Sie hatte mir auch eine verschlissene Decke und ein Kissen dagelassen, das wie Polareis knirschte.
    Die gegenüberliegende Wand zierte eine alte Seekarte, und ein Piratenschiff segelte über ihren Rand hinaus. Es war noch gar nicht so lange her, dass Seeleute glaubten, sie könnten vom Rand der Welt fallen und auf dem Kompass ablesen, wo Drachen lebten. Ich dachte an die Entdecker, die mit ihren Schiffen um die Welt gesegelt waren. Wie mussten sie sich zuerst gefürchtet und dann gestaunt haben, als sie Welten entdeckten, die sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht hatten vorstellen können.

Piper
    Ich habe Charlotte vor acht Jahren kennengelernt, auf einer der kältesten Eislaufbahnen New Hampshires. Beide hatten wir unsere vierjährigen Töchter für eine fünfundvierzigsekündige Performance als künftige Eislaufstars verkleidet. Ich wartete darauf,