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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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groß, kräftig und dumm wie Stroh.
    »Bitte sehr, Ma’am«, sagte Moose und schob Charlotte ein helles Bier zu. Sie würdigte ihn keines Blickes.
    Irgendetwas stimmte heute nicht mit ihr. Sie hatte unsere regelmäßige Verabredung absagen wollen, doch ich hatte das nicht zugelassen, und nun wirkte sie schon seit Stunden abgelenkt und distanziert. Ich schrieb das ihrer Sorge um dich zu – mit der Parathormontherapie, den Oberschenkelbrüchen und der Marknagelung hatte sie genug um die Ohren –, und ich war fest entschlossen, sie abzulenken. »Er hat dir zugezwinkert«, verkündete ich, kaum dass Moose sich wieder von uns abgewandt hatte.
    »Ach, vergiss es«, erwiderte Charlotte. »Ich bin zu alt zum Flirten.«
    »Vierundvierzig ist heutzutage das, was früher zweiundzwanzig war.«
    »Ja, klar. Darüber können wir ja noch einmal sprechen, wenn du in meinem Alter bist.«
    »Charlotte, ich bin nur zwei Jahre jünger als du!« Ich lachte und nippte an meinem Bier. »Gott, wir sind wirklich erbärmlich. Vermutlich denkt er sich: Diese armen Frauen mittleren Alters. Wenn ich so tue, als fände ich sie sexy, freuen sie sich bestimmt. «
    Charlotte hob ihr Glas. »Trinken wir darauf, dass wir nicht mit einem Kerl verheiratet sind, der noch zu jung ist, um sich ein Auto zu mieten.«
    Ich war es, die deine Eltern miteinander bekannt gemacht hat. Ich glaube, es liegt in der menschlichen Natur, dass die, die schon verheiratet sind, nicht eher ruhen können, als bis sie für ihre Singlefreunde auch Partner gefunden haben. Charlotte war damals noch ledig – Amelias Vater war ein Drogensüchtiger gewesen, der während Charlottes Schwangerschaft versucht hatte, clean zu werden, aber elendiglich gescheitert war. Irgendwann zog er dann mit einer siebzehnjährigen Stripperin nach Indien. Als ich einmal wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von einem Cop angehalten wurde, der keinen Ehering trug, lud ich ihn kurzerhand zum Abendessen ein, damit Charlotte ihn kennenlernen konnte.
    »Ich mag keine Blind Dates«, sagte deine Mutter daraufhin zu mir.
    »Dann googel ihn.«
    Zehn Minuten später rief sie mich aufgeregt an. Wie sich nämlich herausstellte, gab es einen verurteilten Kinderschänder, der erst kurz zuvor auf Bewährung freigekommen war und auch Sean O’Keefe hieß. Zehn Monate später heiratete sie den anderen Sean O’Keefe.
    Ich beobachtete, wie Moose hinter der Theke Gläser stapelte und das Licht auf seinen Muskeln spielte. »Und? Wie läuft es mit Sean?«, fragte ich. »Hast du ihn schon überredet, es zu tun?«
    Charlotte erschrak. Fast hätte sie ihr Glas umgeworfen. »Was zu tun?«
    »Willows Operation. Hallo?«
    »Ach so«, sagte Charlotte. »Das hatte ich ganz vergessen.«
    »Charlotte, wir reden jeden Tag darüber.« Ich schaute sie mir genauer an. »Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«
    »Ich muss einfach mal eine Nacht durchschlafen«, erwiderte sie, starrte dabei aber in ihr Bier und strich mit dem Finger über den Rand, bis das Glas zu singen begann. »Weißt du, ich habe da etwas im Krankenhaus gelesen, in einer Zeitschrift. Da war ein Artikel über eine Familie, die das Krankenhaus verklagt hat, nachdem ihr Sohn mit Mukoviszidose zur Welt gekommen ist.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Diese Mentalität, immer jemand anderem die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen, macht mich wahnsinnig.«
    »Vielleicht war ja wirklich jemand daran schuld.«
    »Das ist einfach Schicksal. Weißt du, was Gynäkologen sagen, wenn ein Paar ein Kind mit Mukoviszidose bekommt? ›Das ist ein schlechtes Baby.‹ Allerdings ist das nicht abwertend gemeint, sondern bloß eine nüchterne Feststellung.«
    »Ein schlechtes Baby …«, wiederholte Charlotte. »Denkst du das auch in meinem Fall?«
    Manchmal rede ich, ohne nachzudenken, wie zum Beispiel in diesem Fall, wo mir zu spät einfiel, dass Charlotte an dem Thema nicht nur ein theoretisches Interesse hatte. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen stieg. »Ich habe doch nicht Willow damit ge­meint. Sie ist …«
    »Perfekt?«, forderte Charlotte mich heraus.
    Und genau das warst du. Niemand konnte Paris Hilton so komisch parodieren wie du. Du konntest das Alphabet rückwärtssingen, und dein Gesicht war fein, zierlich, elfenhaft. Diese brüchigen Knochen waren das Unwichtigste an dir.
    Plötzlich schüttelte Charlotte den Kopf. »Tut mir leid. Das hätte ich nicht sagen sollen.«
    »Nein, ehrlich, du hast schon recht. Ich sollte mir angewöhnen,

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