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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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unheimlich wie die Ruhe vor dem Sturm. Aber er konnte jetzt nicht mehr aufhören. Was wußten sie schon von alledem? Sie hatten vielleicht noch nie mit so unerfahrenen Offizieren und so schlecht ausgebildeten Leuten kämpfen müssen. Bolitho dachte an den Mann auf dem Operationstisch, der um sein Bein flehte, an den Marineinfanteristen, der als erster aus dem Mast gestürzt und in der See davongetrieben war. So viele waren es. Zu viele.
    Er fuhr fort: »Der Franzose kam längsseits. Sie enterten uns oder versuchten es wenigstens…« Er stockte, sah wieder den französischen Leutnant zwischen die Schiffsrümpfe fallen. »Denn wir schlugen sie zurück.« Er wandte sich ab und blickte direkt in Quinns verzweifeltes Gesicht. »Mr. Quinn half mir bis zu diesem Augenblick und stand im feindlichen Feuer, bis der Kampf abgebrochen wurde.«
    Der Vorsitzende ergänzte: »Dann wurden Sie nach unten geschafft.
    Wie alt sind Sie eigentlich?«
    »Diesen Monat werde ich einundzwanzig, Sir.« Er glaubte, jemanden hinter sich kichern zu hören.
    »Und Sie traten mit zwölf Jahren in die Marine ein, wie die me isten von uns, wenn ich recht unterrichtet bin. Außerdem kommen Sie aus einer alten Seefahrerfamilie.« Seine Stimme wurde plötzlich hart. »Nach Ihrer Erfahrung als Offizier des Königs, Mr. Bolitho – hatten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt während dieser unglückseligen Ereignisse den Eindruck, daß Mr. Quinns Verhalten Mangel an Können oder Mut aufwies?«
    Bolitho erwiderte: »Nach meiner Meinung, Sir…« Er kam nicht weiter.
    Der Vorsitzende beharrte: »Nach Ihrer Erfahrung!«
    Bolitho fühlte sich verzweifelt, wie in einer Falle. »Ich weiß nicht, wie ich antworten soll, Sir.«
    Er erwartete, zurechtgewiesen oder von der Verhandlung ausgeschlossen zu werden, aber der Vorsitzende fragte lediglich: »Er war Ihr Freund, stimmt’s?«
    Bolitho blickte zu Quinn hinüber, haßte plötzlich die drei Kapitäne, die atemlosen Zuschauer, alles hier, und sagte mit fester Stimme: »Er ist mein Freund, Sir.« Er hörte das überraschte Gemurmel und fügte hinzu: »Vielleicht hatte er Angst, aber die hatten wir alle.
    Dies zu leugnen, wäre töricht.«
    Bevor er sich wieder dem Tisch zuwandte, sah er, daß Quinn in einer rührenden Anwandlung von Trotz das Kinn hob.
    Bolitho fuhr fort: »Sein Ruf war gut, er begleitete mich auf me hreren schwierigen und gefährlichen Unternehmen. Er wurde schwer verwundet und…«
    Der schmallippige Kapitän lehnte sich vor und blickte seine beiden Kameraden an. »Ich glaube, wir haben genug gehört. Der Zeuge hat dem wenig hinzuzufügen.« Dann sah er Bolitho an. »Ich weiß, daß Sie ein eigenes Kommando abgelehnt haben, das Konteradmiral Coutts Ihnen anbot. Sagen Sie mir doch, geschah das aus Mangel an Ehrgeiz?«
    Der Vorsitzende runzelte die Stirn und wandte sich dann um, als er das Scharren von Füßen hörte.
    Ohne hinzublicken, wußte Bolitho, daß Pears aufgestanden war.
    Der Vorsitzende fragte: »Sie wollen etwas sagen, Kapitän Pears?«
    Die wohlbekannte, heisere Stimme war bemerkenswert ruhig.
    »Diese letzte Frage – ich möchte darauf antworten. Es war nicht Mangel an Ehrgeiz, Sir. In meiner Familie nennen wir es Treue, verdammt noch mal!«
    Der Vorsitzende hob die Hand, um die plötzliche Erregung zu dämpfen. »Genauso ist es.« Bedauernd sah er Bolitho an. »Ich fürchte jedoch, daß Treue im Fall des Leutnant Quinn nicht genügt.
    « Damit stand er auf, und alle in der Kajüte erhoben sich ebenfalls, Zeugen wie Zuschauer. »Die Verhandlung wird vertagt.«
    Draußen auf dem sonnenüberfluteten Achterdeck wartete Bolitho auf das Abrücken der Zuschauer.
    Dalyell und der neue Leutnant Pointer standen bei ihm, als Quinn an Deck erschien. Er ging hinüber zu Bolitho und murmelte: »Ich danke dir für deine Worte, Dick.«
    Der zuckte mit den Schultern. »Es scheint leider nicht viel genützt zu haben.«
    Dalyell sagte: »Du hast mehr Mut als ich, Dick. Dieser fischä ugige Kapitän hat mich völlig unsicher gemacht. Ich hatte schon Angst, wenn er mich nur ansah!«
    Quinn sagte: »Trotzdem, der Vorsitzende hat recht. Ich konnte mich überhaupt nicht mehr bewegen, ich war wie tot, konnte ke inem mehr helfen.« Er sah Cairns herankommen und fügte rasch hinzu: »Ich bin in meiner Kammer.«
    Der Erste Offizier beugte sich über die Reling und warf einen Blick auf die längsseits liegenden Boote. »Hoffentlich sind wir bald wieder auf See.«
    Die anderen entfernten sich, und Bolitho fragte:

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