Zero Option: Thriller
gesagt habe?«
»Ich verstehe nicht, warum du das machst.« Sie drückte seine Hand, suchte Trost. »Wer kann uns zusehen? Emmanuel, was geht denn hier vor?«
Er riss sich los.
»Geh«, fuhr er sie an.
»Wer bist du?«, sagte sie, die Augen weit aufgerissen.
»Jemand, den du gar nicht kennen willst.«
Adrianna faltete die Serviette zusammen, tupfte sich unauffällig die Augen, stand auf und machte sich auf den Weg zur Toilette. Sie drehte sich nicht um. Victor war erleichtert. Er wollte ihr nicht ins Gesicht sehen, wollte dem tödlichen Schrecken, den er ihr versetzt hatte, nicht begegnen. Sie stieß die Toilettentür auf. Dann war sie verschwunden, für immer.
Er trank seinen Tee aus, bezahlte die Rechnung in bar und schlug noch hundert Prozent Trinkgeld obendrauf. Lieber gab er sein Geld dem Kellner als dem Mossad.
Wenn er jetzt sofort aufstand und ging, dann waren sie vielleicht verwirrt, weil Adrianna nicht mitkam, und diese Verwirrung konnte ihm möglicherweise ein bisschen Vorsprung verschaffen. Aber womöglich registrierten eventuelle Aufpasser in der näheren Umgebung dann ein Taxi und den weiblichen Fahrgast, der schluchzend auf der Rückbank saß. Solange er hier an seinem Tisch sitzen blieb, konnte Adrianna unbehelligt zum Flughafen kommen.
Nach zehn Minuten würden sie wissen, dass sie nicht mehr zurückkehren würde und zur Hintertür hinausgeschlüpft sein musste. Und dann wussten sie auch, dass Victor wusste, dass sie da draußen auf ihn warteten. Dann war es zu spät, um Adrianna noch einzuholen, aber dafür würden sie bei der ersten sich bietenden Gelegenheit über ihn herfallen.
Kapitel 62
Als auf seiner Armbanduhr elf Minuten seit Adriannas Weggang verstrichen waren, stand Victor auf, knöpfte sein Jackett zu und trat nach draußen.
Die Luft war kühl, der Himmel wolkenlos. Der Vollmond schien, das indische Restaurant befand sich ein wenig außerhalb der Innenstadt von Sofia in einem dicht bebauten Geschäftsviertel. Tagsüber war die Straße vor dem Lokal stark befahren, aber um diese Zeit hatten nur wenige Restaurants noch geöffnet, und auf der Straße war es auffallend ruhig. Auch Fußgänger waren nur sehr wenige unterwegs. Die Schaufenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite waren dunkel, einige mit Metallgittern gesichert. Die beiden Straßenseiten waren mit Autos zugeparkt, aber es herrschte kaum Verkehr. Victor musterte jeden, der ihm begegnete, gründlich.
Er wandte sich nach links, weil das der Weg in die Innenstadt war. Dort gab es mehr Menschen, mehr Autos, mehr Busse. Mehr Optionen. Darunter auch die neu gebaute U-Bahn. Das Netz war relativ klein, aber er konnte jede Fluchtmöglichkeit gebrauchen. Da er nicht wusste, wo oder wann die Kidon zuschlagen wollten, musste er versuchen, es ihnen so schwer wie möglich zu machen und sich selbst gleichzeitig jeden erdenklichen Vorteil zu verschaffen. Ein Taxi zu nehmen schied von vornherein aus. Damit war er leichter zu verfolgen als zu Fuß, und sie brauchten sich einfach nur mit einem Wagen davor- und einem zweiten dahinterzusetzen, schon hatten sie ihn. Hastig ging er voran. Es hatte keinen Sinn, den Ahnungslosen zu spielen. Sie wussten, dass er Bescheid wusste.
Er lief vier Minuten lang immer dieselbe Straße entlang. Vor ihm, hinter ihm, auf der anderen Straßenseite, überall waren Menschen unterwegs. Hauptsächlich Männer, ab und zu auch ein Paar. Keine unbegleiteten Frauen. Er überquerte die Straße und suchte in den spiegelnden Schaufensterflächen nach möglichen Verfolgern auf der anderen Straßenseite. Niemand, aber auf seiner Straßenseite sah er einen Mann und eine Frau. Nicht das Pärchen mit der Kamera. Das wäre zu offensichtlich gewesen. Die beiden waren Mitte dreißig, schienen in guter körperlicher Verfassung zu sein, trugen unauffällige Kleidung. Möglich.
Seine Hand schwebte die ganze Zeit auf Höhe seines Hosenbunds, dicht bei der Pistole. Das Pärchen beachtete ihn nicht und ging ungerührt an ihm vorbei.
Er setzte seinen Weg fort. Nach zwei Minuten blieb das Pärchen bei einer Bushaltestelle stehen und setzte sich. Ein absolut normales Verhalten oder aber eine clevere Möglichkeit, sich zurückzuziehen, jetzt, wo sie die Zielperson hinter sich gelassen und aus dem Blick verloren hatten. Victor ging in unvermindertem Tempo an ihnen vorbei. Er nutzte jede Fensterscheibe, die ihm noch einen Blick auf die beiden ermöglichte, aber schon nach wenigen Sekunden war der Winkel zu ungünstig
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