Zero Option: Thriller
Geheimnisse, groß und schlank, mit einem athletischen Körper, der von Narben übersät war, immer aufmerksam, niemals wirklich entspannt und mit einem Lächeln, dessen Falschheit sie genauso bewusst ignorierte wie die Leblosigkeit in seinem Blick. Sie hätte ihn am liebsten in den Arm genommen – richtig in den Arm genommen –, aber es war gefährlich, sich mit einem Kunden auf so etwas einzulassen. Selbst wenn Emmanuel dem Bild des idealen Kunden hundertprozentig entsprach. Jederzeit der perfekte Gentleman. Hatte immer anstandslos bezahlt. War niemals eifersüchtig auf ihre anderen Kunden. Schlug sie nie. Hatte nie versucht, ihr Arrangement in etwas zu verwandeln, was es nicht war. Hatte ihr nie das Gefühl gegeben, eine Hure zu sein.
Ein junger Kellner stand lächelnd an ihrem Tisch und fragte, ob sie noch etwas haben wollte. Sie dankte, lehnte jedoch ab. Als er gegangen war, warf Adrianna noch einen Blick auf ihre Armbanduhr. Jetzt war er schon über sechs Minuten lang weg.
Da sah sie einen Mann das Restaurant betreten, schmächtig, blasse Haut, schwarzes, lockiges Haar. Mit seiner Jeans und dem Nylon-Jackett wirkte er in einem Restaurant wie diesem eindeutig fehl am Platz. Als der Kellner ihm einen Tisch anbieten wollte, winkte er ab. Adrianna sah ihn zur Toilette gehen. Er kam ihr irgendwie bekannt vor, als hätte sie ihn zuvor schon einmal gesehen, aber nur im Vorbeigehen. Vielleicht im Flugzeug oder nach der Landung auf dem Flughafen. Er schaute sie aus dem Augenwinkel an, und Adrianna wandte sich schnell ab, damit er nicht merkte, dass sie ihn beobachtet hatte.
Sie vergaß den Fremden, wer immer er sein mochte, und dachte wieder an Emmanuel. Adrianna hatte das seltsame Gefühl, dass er nicht an den Tisch zurückkehren würde, auch wenn diese Vorstellung lächerlich war. Sie wusste, dass nur dieses eine Glas Wein zu viel daran schuld war, aber vielleicht hatte sie ihn auch mit ihrem Gerede, dass er bei ihrem letzten Treffen so anders gewesen sei, irgendwie verschreckt. War er deswegen vielleicht sauer auf sie? Eigentlich durfte sie sich mit einem Kunden niemals so persönlich einlassen, das war ihr schon klar. Die Männer, die für ihre Gesellschaft Geld bezahlten, wollten nicht analysiert werden, und das galt für einen Mann, der so zurückgezogen und eigenartig war wie Emmanuel, ganz besonders.
Adrianna verfluchte sich im Stillen deswegen. Warum hatte sie das bloß gesagt? Aber sie kannte die Antwort. Ganz egal, welches Spiel sie miteinander spielten, nach Linz hatte sie gedacht … nein, befürchtet, dass sie Emmanuel nie wiedersehen würde.
Und jetzt war diese Furcht wieder da. Noch einmal sah sie auf die Uhr. Sieben Minuten. Sie fragte sich, wie lange sie noch warten sollte und ob es wohl irgendjemandem auffallen würde, wenn sie ohne ihren Begleiter das Lokal verließ.
Der Mann im Nylon-Jackett trat aus der Toilette. Er machte einen nervösen Eindruck und zog, während er mit hastigen Schritten den Ausgang ansteuerte, ein Handy aus der Jacketttasche. Sie spürte, dass er sie anschaute, aber sie war es gewohnt, dass Männer sich nach ihr umdrehten. Nicht alle wussten, wie sie das halbwegs unauffällig bewerkstelligen konnten.
Der Kellner reagierte auf ihr Handzeichen und kam an ihren Tisch.
»Darf es noch etwas sein, Madam?«
Sie schüttelte den Kopf. »Kann ich bitte die Rechnung haben?«
»Selbstverständlich.«
Adrianna klappte ihre Handtasche auf und holte ihr Portemonnaie heraus. Sie zog eine Kreditkarte hervor.
»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich musste dringend telefonieren.«
Adrianna hob den Blick und sah, wie Emmanuel seinen Platz auf der anderen Tischseite wieder einnahm. Sie hatte nicht einmal bemerkt, wie er sich genähert hatte. Sie empfand Erleichterung und kam sich gleichzeitig ziemlich töricht vor, aber jederzeit die Beherrschung zu wahren war ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit.
»Warst du lange weg?«, fragte sie. »Das habe ich gar nicht so richtig bemerkt. Ich habe die Rechnung bestellt.«
»Vergiss die Rechnung«, sagte er und beugte sich dichter zu ihr. »Du musst mir jetzt sehr genau zuhören, Adrianna. Du musst mir jedes einzelne Wort glauben und genau das tun, was ich sage. Keine Fragen.«
Er schaute sie so ernsthaft an, dass es fast schon wieder lustig war. »Okay«, sagte sie und setzte ebenfalls eine übertrieben feierliche Miene auf. »Ich höre.«
»Sobald wir fertig gesprochen haben, stehst du auf und gehst auf die Damentoilette. Dort
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