Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
Großen und Glorreichen, wie Cam sie genannt hat. Nico hatte nicht nur einen Plan B, sondern auch noch einen Plan C. Ohne mein Wissen hatte er mich zur Selbstmordattentäterin erkoren. Am Ende hätten sie mich unter all dem Schutt geborgen und mit einer Pistole der RT am Arm als Bombenlegerin identifiziert. Und die Sache wäre eindeutig gewesen: ein gewalttätiger Slater. Alle Lorder hätten sich angegriffen gefühlt. Alle Slater wären zu einem untragbaren Risiko geworden.
Nico wollte uns alle während dieser Feierlichkeit umbringen, doch ich habe ihm seinen Plan verdorben, indem ich Dr. Lysander zur Hilfe geeilt bin. Kein Wunder, dass er so sauer war!
Und nun hat Nico den Fernzünder gedrückt, um mich in die Luft zu jagen. Entweder hat er mir abgekauft, dass ich das Levo los bin, oder ihm war die Rache an mir wichtiger als alles andere. Vielleicht hat er vorher auch nur angerufen, um sicherzugehen, dass ich das Kom bei mir habe.
Ich bekomme einen Lachanfall. Reiß dich zusammen!
Aber ich kann mir nicht helfen, und schon bald liege ich lachend am Boden, obwohl die Stiche noch höllisch wehtun.
Nico hält mich für tot. Da muss ich noch mehr lachen.
Und für die Lorder bin ich unauffindbar. Dank Dr. Lysander.
Bevor ich den Gedanken überhaupt zu Ende denken kann, bin ich auch schon auf den Beinen und stopfe ein paar Habseligkeiten in eine Tasche. Im Spiegel kontrolliere ich noch rasch die Verletzungen, nur Kratzer. Sie bluten ein bisschen, aber das kann mich nicht mehr schocken. Hastig ziehe ich mich an und beiße die Zähne zusammen, als ich den Pullover über meinen Kopf ziehe. Körperliche Schmerzen kann ich verdrängen. Jetzt aber schnell.
Sebastian taucht in der Tür auf, mit gesträubtem Fell und buschigem Schwanz. Der Kater hat einen Riesenschreck bekommen. Als ich ihn auf den Arm nehme und an mich drücke, werde ich traurig. »Am liebsten würde ich dich ja mitnehmen, aber das geht nicht. Pass gut auf Amy und Mum auf.«
Das versetzt mir einen weiteren Stich. Soll ich Mum eine Nachricht hinterlassen? Nein, sonst entdeckt sie womöglich noch jemand anders. Irgendwie werde ich sie schon benachrichtigen.
Die Feuerwehrsirenen sind bereits zu hören, als ich mich hinterm Haus durch die Hecke zwänge und Richtung Kanal davonstürme.
Was ist mit all den unausgereiften Plänen, die ich vielleicht eines Tages mal umsetzen wollte …?
Der Tag dafür ist gekommen.
Es ist ein weiter Weg durch die Nacht ohne Katrans Motorrad. Stattdessen kämpfe ich mich auf einem uralten Fahrrad über den holprigen Kanalweg. Ich habe mir viel Zeit gelassen, und es ist noch dunkel, als ich ankomme.
Mac gegenüber habe ich ein schlechtes Gewissen, denn ich habe mich klammheimlich aus dem Haus geschlichen, obwohl er mich doch bei sich versteckt, bis ich weiß, wie es weitergehen soll. Und dann habe ich mir auch noch ungefragt sein klappriges Rad genommen. Aber mir ist klar geworden, dass ich keinen Schritt nach vorn machen kann, ohne noch einmal einen Schritt zurückzugehen.
Das Fahrrad verstecke ich im Wald.
Diesmal wird es anders sein. Ich werde anders sein, weil ich mir vorher alles genau überlegt habe.
Und wenn er gar nicht kommt?
Das wird er schon. Muss er. Für mich gibt es keine Alternative, auch wenn ich Angst habe.
Ich nehme die Mütze ab, kämme das Haar, bis es glänzt. Verstaue die schwarze Tarnkleidung. Darunter trage ich mein blassgrünes Laufshirt, warm, aber figurbetont, von dem Ben einmal gesagt hat, es bringt meine Augen zum Leuchten.
Am Himmel zeigt sich das erste Morgenrot, als ich mich aufwärme. In der Ferne auf dem Hügel taucht eine Gestalt auf. Ben! Vor Freude bekomme ich weiche Knie. In mir überschlagen sich die Gefühle, ich renne den Pfad entlang. Schnell. Damit er mich voll im Blick hat, wenn er den Hang hinunterläuft.
Bestimmt wird er nicht widerstehen können und an mir vorbeiziehen wollen. Oder?
Aber das wird ihm nicht gelingen.
Als ich ihn kommen höre, laufe ich schneller, damit er mich nicht überholen kann. Ich spüre die Anstrengung. Genieße den Geschwindigkeitsrausch. Sobald ich das Tempo drossle, passiert es. Wir laufen Seite an Seite. Der vertraute Rhythmus unserer Schritte, sein festes Stampfen und dazwischen die Schläge meiner kürzeren Beine. Unsere Blicke treffen sich. Er grinst mich breit an, und in dem Moment ist er ganz der Ben, den ich kenne. Ich gerate aus dem Takt und er zieht vorbei. Aber um mich nicht abzuhängen, lässt er sich wieder zurückfallen.
Irgendwann
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